Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(6): 210-215
DOI: 10.1055/s-0028-1117832
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Erfahrungen in der Streptomycin-Behandlung bei Kindern

I. MiliartuberkuloseH. G. Arlt Oberarzt
  • Kinderkrankenhaus München-Schwabing (Prof. J. Husler)
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Publication Date:
06 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Unsere Erfahrungen in der Strept.-Behandlung der Miliar-Tbc der Lungen bestätigen die guten Erfolge, die uns von anderen, vor allem ausländischen Kliniken berichtet wurden.

Folgende Ergebnisse konnten erzielt werden:

1. Von 12 Kindern mit generalisierter miliarer Lungen-Tbc wurden in 6—8monatiger Strept.-Behandlung sieben soweit gebessert, daß sie jetzt nach 10 Monaten als praktisch geheilt gelten können.

2. In der Dosierungsfrage wurden mittlere Dosen von Strept. angewandt (zunächst 45 mg pro kg, später 30 mg pro kg). Jedoch ist es zweckmäßig, diese Dosierung in manchen Fällen nicht allzu schematisch einzuhalten, sondern sie beim Auftreten von Unverträglichkeitserscheinungen, vor allem bei drohender Gefahr der Vestibularisstörung vorübergehend zu reduzieren oder zeitweise mit der Behandlung auszusetzen. Dadurch lassen sich schwerere Vestibularisstörungen vermeiden.

3. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, daß der frühzeitige Behandlungsbeginn im Gegensatz zur Meningitis bei der Miliar-Tbc nicht unbedingt entscheidend für den Erfolg ist. Auch erst später in Behandlung kommende Fälle können noch ausgeheilt werden. Trotzdem ist größter Wert auf frühzeitige Erfassung und Behandlung der Miliar-Tbc zu legen; denn einmal ist bei längerem Bestehen der miliaren Streuung in den Lungen selbst bei Ausheilung mit irreversiblen Gewebsveränderungen in Form von ausgedehnter Narbenbildung zu rechnen, die die Lungentätigkeit früher oder später beeinträchtigen müssen (Huebschmann), zum anderen droht immer mehr die Gefahr eines Einbruchs der Streuung in die Meningen, die den ganzen Erfolg der Behandlung zunichte machen kann.

4. Selbst während der Strept.-Behandlung kann eine miliare Streuung in die Meningen noch erfolgen. Sie führt zur sekundären Meningitis, die auf Strept. wegen der vorhandenen Resistenz schlecht anspricht (3 Todesfälle in unserer Behandlungsreihe). Zur Vermeidung dieser unheilvollen Komplikation sind frühzeitige und in regelmäßigen Abständen erfolgende Lumbalpunktionen unbedingt notwendig.

5. Im Gegensatz zu der Streuung in die Meningen bedeuten nach unseren Erfahrungen Streuungen in das Knochensystem keine wesentliche Verschlechterung der Prognose, da diese durch Strept. erstaunlich gut beeinflußt werden. Die Ausheilung des tuberkulösen Knochenprozesses erfolgt unter Strept. rascher als bei der früheren Behandlung.

6. Ein endgültiges Urteil über den Behandlungserfolg wird erst nach Jahren zu erwarten sein. Gewisse Beobachtungen, wie z. B. die Tatsache, daß auch nach Verschwinden der miliaren Veränderungen im Röntgenbild die Hilusdrüsen noch lange Zeit stark vergrößert sind, weisen darauf hin, daß der tuberkulöse Prozeß als solcher möglicherweise latent weiterbesteht und mit einem Rezidiv gerechnet werden muß.

Wir werden deshalb alle bisher bewährten Methoden der Tbc-Behandlung nicht außer acht lassen, werden auch die neueren tuberkulostatischen Chemotherapeutika anwenden, um zu einer möglichst restlosen Ausheilung zu gelangen. Bei aller Vorsicht in der endgültigen Prognosestellung besteht jedoch jetzt kein Zweifel mehr, daß die Strept.-Behandlung den bisher größten, bahnbrechenden Fortschritt in der Behandlung gerade der Miliar-Tbc beim Kind darstellt.

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