Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(12): 380-384
DOI: 10.1055/s-0028-1117880
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Über die Kreislaufwirkung der Lumbal- und Periduralanästhesien und die Frage der Prophylaxe und Therapie der dabei auftretenden Kollapse1

Hermann Zickgraf
  • II. Medizinischen Universitätsklinik in München (Direktor: Prof. Dr. G. von Bergmann) und dem Urologischen Krankenhaus der Stadt München (Chefarzt: Dr. Ferdinand May)
1 In Anlehnung an einen Vortrag anläßlich des Deutschen Urologenkongresses 1949 in München.
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Publication Date:
13 May 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Die Ursache der Blutdrucksenkung bei den Lumbal- und Periduralanästhesien liegt in der Lähmung der Vasomotoren in den von der Anästhesie betroffenen Gefäßgebieten.

2. In den gelähmten Gefäßprovinzen erweitert sich die Strombahn derart, daß die umlaufende Blutmenge dort versackt und es durch Volumenmangel zum Kollaps kommt. Durch Entleerung der Blutdepots versucht der Organismus den Volumenmangel zu beheben (1. Kompensationsmechanismus).

3. Bei den höher sitzenden Lumbal- und Periduralanästhesien reicht diese gegenregulatorische Maßnahme nicht aus, da zu große Gefäßgebiete gelähmt sind. Es kommt dann zu einer zentralwärts fortschreitenden Engerstellung aller nicht gelähmten Gefäße, wodurch der Fassungsraum des Kreislaufs verkleinert wird (2. Kompensationsmechanismus — Zentralisation des Kreislaufs).

4. Da es sich bei den Kollapsen im Gefolge der Lumbal- und Periduralanästhesien um Volumenmangelkollapse handelt, ist die Volumensubstitution in Form von Bluttransfusion oder Flüssigkeitinfusion eine sinnvolle Therapie.

5. Bei dem Versuch, die Kreislaufveränderungen durch die Lumbal- und Periduralanästhesien medikamentös zu beherrschen, erwies sich Veritol als sicherstes Mittel. Dabei ist die i.m. Injektion die beste Art der Applikation.

6. Kollapsverhütung ist besser als Kollapsbekämpfung.

7. In der Analyse seiner Wirkung auf den Anästhesiekollaps erweist sich Veritol als zweiphasisch wirkendes Mittel. In der 1. Phase wird der Blutdruckanstieg durch die Zunahme des Fördervolumens infolge der Entleerung der Blutdepots hervorgerufen, in der 2. Phase wird der Blutdruck vor allem durch das Hartwerden und Hartbleiben des Windkessels neben einer Tonisierung der Peripherie auf der erreichten Höhe gehalten.

8. Die auffallend starke Wirkung des Veritols auf den in der Peridural- und Lumbalanästhesie erniedrigten Blutdruck wird durch die Lähmung eines großen Teiles der pressorezeptorischen Zonen erklärt, wodurch die Blutdruckzügelung nicht wirksam werden kann.

9. Das Hartwerden des Windkessels bei abfallendem Schlag- und Minutenvolumen führt dazu, daß das Herz gegen einen hohen Aortendruck anarbeiten muß, also Druckarbeit zu leisten hat. Da Druckarbeit das Herz bei gleicher physikalischer Arbeitsleistung etwa 20mal so stark belastet, darf diese Belastung nur einem intakten Herzen zugemutet werden.

10. Geschädigte Herzen stellen ebenso wie ein nicht mehr gut reagierender Kreislauf, eine Kontraindikation gegen die Lumbal- und Periduralanästhesie dar.

11. Auf die große Bedeutung des Veritoltestes für die Erkennung einer genügenden Reaktionsfähigkeit des Kreislaufs wird hingewiesen.

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