Diabetes aktuell 2008; 6(6): 237
DOI: 10.1055/s-0028-1119415
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das große Loch im Fuß – oder: „ich bin kein Pferd!”

Antje Bergmann, Peter E. H. Schwarz
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Publication Date:
12 December 2008 (online)

Nicht nur für uns Deutsche ist das Jahr 1989 von großer Bedeutung, im gleichen Jahr (deshalb leicht zu merken) wurde in der St. Vincent Deklaration die Halbierung der Amputationsrate gefordert. Die Anzahl aller Amputationen von Zehen, Füßen, Unterschenkeln nimmt jedoch in Deutschland weiter zu. Im Jahr 2001 waren es um die 45 000 Amputationen, 2001 schon 55 000 und heute, im Jahr 2008, sind es 60 000 (Basis Gesundheitsbericht Diabetes 2008). 70  % aller Amputationen betreffen Diabetiker, damit haben sie ein 10–15–mal höheres Amputationsrisiko als Nichtdiabetiker.

In einer aktuellen Querschnittsstudie wurde im hausärztlichen Sektor eine Prävalenz für das Vorliegen eines diabetischen Fußsyndroms von 2,9  % gefunden. Fast 50  % dieser Patienten hatten Minor– oder Majoramputationen (Sämann A et al. Prevalence of the diabetic foot syndrome at the primary care level in Germany. Diabet Med 2008; 25 (5): 557–563).

Ein betroffener prominenter Diabetiker war Sir Peter Ustinov (1921–2004). Er sagte zu seinem eigenen diabetischen Fußsyndrom: ”I developed a big hole in the bottom of my foot, but since I'm not a horse I don't look under my foot very often” (Ein großes Loch hat sich an meiner Fußsohle entwickelt, aber da ich kein Pferd bin, schaue ich mir meine Füße nicht besonders oft von unten an).

Mit der „Ätiologie und Pathophysiologie des diabetischen Fußsyndroms – Polyneuropathie ist Ursache der Verletzungen” beschäftigt sich Dr. med. Alexander Risse vom Diabeteszentrum des Klinikums Dortmund. Er stellt anhand von praktischen Beispielen die Entstehung einer Neuropathie in den Mittelpunkt seines Artikels.

Dr. med. Hannes Rietzsch (Medizinische Klinik III, Universitätsklinik Dresden) beschreibt in seiner Arbeit „Diagnostik und Therapie des diabetischen Fußsyndroms” die Prävention und die Behandlungsoptionen. Hierbei betont er die Bedeutung einer konsequenten Umsetzung der Behandlungsempfehlungen in einem erfahrenen Team mit viel Aufwand, jedoch mit Heilungschancen.

Zum handlungsorientierten Arbeiten berichtet Dr. med. Matthias Weck (Medizinische Klinik III, Weißeritztalkliniken Freital) über die „Vermeidung von Amputationen in einem DMP „diabetischer Fuß” – Wie diabetische Füße gerettet werden können”.

Die Einführung und Anwendung einer strukturierten Behandlungskette für den diabetischen Fuß vermag die Anzahl an Amputationen des Unter– bzw. Oberschenkels im Vergleich zur gesamtdeutschen Amputationsrate deutlich zu verringern. Die von der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetes–Gesellschaft in ihren zertifizierten „Fußzentren” analysierte Amputationsrate betrug nur 7,8  % (im Vergleich zu bundesweiten Zahlen von über 20  %).

Wie wichtig interdisziplinäres Handeln ist, demonstrieren wir auch in diesem Heft und lassen einen wichtigen Mitspieler im Behandler–Team „diabetischer Fuß” zu Wort kommen. Fritz Bittig vom Lehrinstitut für Podologie, Berchtesgaden, stellt die Aufgaben der Podologie und ihre Bedeutung bei diabetischen Patienten dar.

Nomen est omen: Reiner Schumacher, ein Orthopädieschuhmachermeister aus Hamburg, erläutert in seinem Artikel die Bedeutung des Schuhwerks. Prävention und Rezidivprophylaxe, Erhalt der Funktion und ständige Reevaluation des aktuellen Status spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Dieses „Fuß–Heft” soll alle Beteiligten bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms zu Wort kommen lassen. Alle sind Partner des Patienten, und in enger interdisziplinärer Kooperation und mit genauen Absprachen und Aufgabenverteilungen können Amputationen vermieden werden, damit eben keine „großen Löcher im Fuß” entstehen.

In diesem Sinne, viel Freude beim Lesen!

Wir bedanken uns für ein weiteres Jahr Ihrer treuen Leserschaft und konstruktiven Kritik.

All unseren Leserinnen und Lesern eine geruhsame, stressfreie, konsumarme und besinnliche Weihnachtszeit, gesegnete Feiertage und ein gutes neues Jahr.

PD Dr. med. Antje Bergmann
Dr. med. Peter E. H. Schwarz

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