Dtsch Med Wochenschr 1939; 65(12): 447-449
DOI: 10.1055/s-0028-1120412
Forschungsergebnisse

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Untersuchungen über Stoffwechsel und Vitamin C-Haushalt nach kalten Seebädern und heißen Wasser- und Moorbädern1

Hans Curschmann
  • Medizinischen Universitäts-Klinik zu Rostock i. M. und der Heilklimatischen Forschungsstation Warnemünde
1 Vortrag auf der 95. Versammlung Deutscher Ärzte und Naturforscher, Stuttgart 1938.
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Der Einfluß auf die C-Vitamin-Ausscheidung im Harn ist meßbar. Nach kalten Bädern (See- und Süßwasser) ergab sich meist eine vermehrte Ausscheidung des Vitamin C, nach Warmbädern dagegen eine konstante Verminderung der Vitaminabgabe durch den Harn. Da das Blut bei unseren VP. nicht untersucht werden konnte, lassen sich aus den genannten Befunden noch keine ganz sicheren Schlüsse ziehen. Die Untersuchungen von Gabbe, der nach heißen Bädern eine Vermehrung der Ascorbinsäure im Blute fand, ergänzen jedoch unsere Untersuchungen in eindeutiger Weise.

Es muß mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Wirkung der genannten Badereize auf den Vitamin C-Haushalt über das vegetative Nervensystem abläuft. Wir dürfen das vor allem aus Analogie zu anderen bereits erwähnten biologischen Reaktionen schließen. Denn am Mineralhaushalt, an der Glykämie, am respiratorischen Stoffwechsel, am Blutdruck und Minutenvolumen des Herzens — um nur diese zu nennen — wurde mit Sicherheit nachgewiesen, daß Kaltreize den Tonus des Sympathikus steigern, Heißreize ihn aber herabsetzen unter Erhöhung des parasympathischen Tonus. Wir dürfen deshalb wahrscheinlich annehmen, daß auch die Verminderung und die Steigerung der Vitamin C-Ausscheidung im Harn durch Steigerung des parasympathischen bzw. des sympathischen Tonus reguliert werden.

Wenn wir uns als Ärzte fragen, ob diesen Ergebnissen eine praktisch-therapeutische Bedeutung zukommt, so wird man diese Frage für die Anwendung der Heißprozeduren vielleicht verneinen können. Für lang dauernde und fortgesetzte sportliche oder berufliche Kaltbäder, überhaupt für habituelle Kältereize in jeder Form, wäre aber wohl daran zu denken, daß die vermehrte Ausscheidung des C-Vitamins bei jenen der Kälte exponierten Menschen durch reichlichen Genuß des Vitamins in Gestalt der bekannten Nahrungsmittel oder Präparate kompensiert werden müßte. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die allerschwersten C-Avitaminosen in Gestalt seuchenhaften Skorbuts sich ganz besonders dann einstellten, wenn der Vitaminmangel der Nahrung mit starken und dauernden Kälteschäden zusammentraf; z. B. auf Polarexpeditionen, auf Segelschiffahrten und in sibirischen Gefangenenlagern. Aber auch für „heimische” Verhältnisse hat man bereits früher Beobachtungen gemacht, die dafür sprachen, daß der Vitamin C-Haushalt irgendwie auch von Sonne und Wärme beeinflußt wird. Dies war beispielsweise scheinbar bei der von Tobler (10) geschilderten Skorbutepidemie bei Wiener Kindern in Spitälern und Heimen im Kriegsjahre 1917 der Fall. Tobler berichtet nämlich bemerkenswerterweise, daß er auf der Sonnenstation der Klinik davon abgesehen habe, eine besondere antiskorbutische Diät zu verordnen.

Aber nicht nur für die praktische Ernährungslehre, sondern auch für wissenschaftliche Grundlagen des C-Vitamin-Haushaltes könnte seine von Gabbe und uns bewiesene Abhängigkeit von Temperatur- und Klimafaktoren bedeutungsvoll sein. Ich denke dabei an die wahrscheinlich grundlegende Rolle, die nach den Untersuchungen Wachholders und den neuerlichen Ausführungen Rietschels (11) die im Organismus stattfindende Rückreduktion des C-Vitamins im Interesse der Vitaminersparnis spielt. Es wäre wohl möglich und der Untersuchung wert, festzustellen, ob und wie sich die genannten thermischen und Klimareize auf die Resynthese des Vitamins auswirken.

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