Dtsch Med Wochenschr 1937; 63(23): 894-897
DOI: 10.1055/s-0028-1121171
Forschungsergebnisse

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Experimentelle Untersuchungen über die Wirksamkeit von Diphtherieimpfstoffen. II. Mitteilung1: Alaun- und Aluminiumhydroxyd-Impfstoffe

R. Prigge
  • Experimentell-Therapeutischen Abteilung (Abteilungsleiter: Prof. Dr. R. Prigge) des Staatlichen Instituts für Experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Otto)
1 I. Mitteilung s. D. m. W. 1936 Nr. 6 S. 217.
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Publication History

Publication Date:
08 May 2009 (online)

Experimentelle Untersuchungen über die Wirksamkeit von Diphtherie-Impfstoffen. III. Mitteilung1: Prinzipien der Wertbemessung von hochaktiven Impfstoffen

Zusammenfassung

1. Die Einführung der staatlichen Prüfung der Diphtherieimpfstoffe hat dazu geführt, daß einerseits die ungiftigen, aber wenig wirksamen, anderseits die wirksamen, aber nicht völlig ungiftigen Impfstoffarten aus dem Handel verschwunden und durch solche Antigene ersetzt worden sind, welche sowohl ungiftig als auch vollwirksam sind. Es gelangen nur noch solche Diphtherieimpfstoffe in die Hand des Arztes, welche einen Mindesttiter von einer Schutzeinheit (SE) im Kubikzentimeter enthalten.

2. Durch Ausnützung der Möglichkeit, den Schutzwert der Diphtherieimpfstoffe exakt zu messen, ist es gelungen, unter den mit Aluminium [AlK(SO4)2 und Al(OH)3] aktivierten Präparaten eine bestimmte Gruppe als besonders hochwertig zu erkennen und von weniger wertvollen Impfstoffen ähnlicher Herstellungsart zuverlässig abzugrenzen. Auf Grund dieser Untersuchungen stehen nunmehr Impfstoffe zur Verfügung, die in 1 ccm 30 Schutzeinheiten oder mehr enthalten.

3. Mit Hilfe dieser Impfstoffe dürfte es möglich sein, durch eine einzige Injektion den gleichen Schutz zu erzielen, der früher durch dreimalige Injektion der niedrigwertigen Präparate erzielt wurde. Hierbei ist selbstverständlich dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die „fraktionierte” Impfung, d. h. die zwei- oder dreimalige Injektion von kleineren Dosen mehr leistet als die auf einmal erfolgende Injektion einer größeren Antigenmenge. Es genügt daher nicht, die früher übliche dreimalige Immunisierung mit je 1 SE (1 ccm) durch die einmalige Immunisierung mit 3 SE zu ersetzen. Vielmehr scheint es erforderlich, die bei der „einzeitigen” Schutzimpfung anzuwendende Dosis etwa zu verzehnfachen, zumindest bei Kleinkindern. Bei Verwendung der hochaktiven Antigene ist dies möglich, ohne daß ein Injektionsvolumen von 1 ccm überschritten zu werden braucht (s. oben).

4. Bei Kindern, die das sechste Lebensjahr überschritten haben, treten bei Anwendung von Rohtoxoiden gelegentlich unspezifische Nebenwirkungen auf. Diese dürften bei Verwendung der Aluminiumpräparate, die bis zu einern gewissem Grade gereinigt sind, zwar seltener sein. Solange aber die Arbeiten, welche eine völlige Beseitigung der für die Nebenwirkungen verantwortlichen (in den Impfstoffen enthaltenen) Begleitsubstanzen anstreben, noch nicht zum Ziel geführt haben, empfiehlt es sich, zunächst eine „Vorimpfung” mit kleinen Dosen (0,1—0,2 ccm) auszuführen; diese ermöglicht die rasche Erkennung aller Kinder, bei denen die Anwendung großerer Impfstoffmengen zulässig ist. Das gleiche gilt für Erwachsene. — Bis zum Ende des sechsten Lebensjahres kann dagegen nach den bisher vorliegenden Erfahrungen sofort die volle Impfdosis injiziert werden.

5. Bei älteren Kindern und Erwachsenen läßt sich vielleicht durch die kleinen, für alle Impflinge ohne stärkere Nebenwirkungen (Impfreaktionen) verträglichen Mengen von Aluminiumtoxoid, wie sie zur „Vorimpfung” in Betracht kommen, schon ein ausreichender Impfschutz erzielen, sodaß eine zweite Impfung auch bei den höheren Altersklassen zu entbehren wäre.

6. Die Massenimpfungen, die Ende 1936 in Breslau und anderwärts bei mehr als 100 000 Kindern mit Aluminiumtoxoid durchgeführt worden sind, bieten die Möglichkeit, eingehende Erfahrungen über die Wirksamkeit dieser Impfstoffe, vor allem auch über die geeignetste Dosierung und über die Dauer des Impfschutzes in der Praxis zu gewinnen.

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