Dtsch Med Wochenschr 1949; 74(42): 1260-1263
DOI: 10.1055/s-0028-1121325
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Über Ursachen und therapeutische Beeinflußbarkeit der Gynäkomastie

Ingo Kuhnke
  • Pathologischen Institut der Städt. Krankenanstalten Bremen (Direktor: Prof. Dr. W. Giese)
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Eine erhebliche Zunahme der Gynäkomastie in den Nachkriegsjahren, vor allem bei Männern im geschlechtsreifen Alter, war Veranlassung, die an 108 Gynäkomasten gewonnenen Beobachtungen zusammenzufassen. Eine Aufgliederung dieses Krankengutes in je eine Gruppe der Jugendlichen, der geschlechtsreifen und eine der älteren Männer über 50 Jahre schien zweckmäßig; an Sammelübersichten und Einzelbeispielen wurde die Einheitlichkeit des Krankheitsbildes für alle Altersstufen nachgewiesen.

Für die Altersgruppe der Geschlechtsreifen war auffällig die gehäufte Angabe über ein, dem Leiden zeitlich vorausgehendes, seelisches Trauma; in mehreren Fällen war eine gleichzeitig mit der Gynäkomastie auftretende Fettsucht und andere Krankheitssymptome, wie sie bei der Dystrophia adiposogenitalis gesehen werden, beobachtet worden.

Zur Frage der auslösenden Ursache der Gynäkomastie muß nach der Lehre von der Zellgeschlechtlichkeit eine gewebliche Disposition der Brustdrüse angenommen werden, wie sie Moszkowicz bei Untersuchungen an Zwittern gefunden hat. Durch eine Funktionsstörung im Bereich des Hypophysenzwischenhirnsystems, die offenbar psychisch ausgelöst werden kann, kommt es zu einer Unterfunktion der Hypophyse. Diese führt im männlichen Organismus, zu einem, dem Testikelhormon gegenüber erhöhten Follikulinspiegel, der die männliche Brustdrüse zur Proliferation anregt. Durch Substitutionstherapie mit Hypophysenvorderlappenhormon konnte Heilung ohne die bisher übliche Operation erreicht und damit die Richtigkeit der angestellten Überlegungen nachgewiesen werden.

Das feingewebliche Bild der Gynäkomastie weist weitgehende Übereinstimmung mit demjenigen der weiblichen Mamma des Pubertätsalters auf. An vier Fällen von Krebs der männlichen Brustdrüse konnte klinisch und morphologisch kein Zusammenhang mit Gynäkomastie ermittelt werden.