Dtsch Med Wochenschr 1930; 56(31): 1311-1313
DOI: 10.1055/s-0028-1125851
Fortschritte der gesamten Medizin

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die theoretischen Grundlagen der Balneotherapie

Karl Harpuder
  • Direktor des Städtischen Forschungsinstituts für Bäderkunde und Stoffwechsel in Wiesbaden
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Publication Date:
27 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Setzen wir endlich in Stichworten nochmals die wichtigsten experimentellen Ergebnisse über Bäder- und Brunnenwirkung zusammen, um einen Gesamteindruck über den heutigen Stand der theoretischen Balneologie zu erhalten. Bäderwirkung ist thermisch, mechanisch und chemisch. Thermisch: Angriff auf die Temperaturnerven der Haut und die Wärmeregulation, Veränderung der Hautdurchblutung und der allgemeinen Zirkulation, kurzdauernde Veränderung des gesamten Stoffwechsels, sekundäre Veränderungen der Blutzusammensetzung und der Sekretbildung, Veränderung der Lymphströmung und der Resorption; durch warme Bäder Schmerzlinderung. Mechanisch: Durch Auftrieb Entlastung des Bewegungsapparates, durch hydrostatischen Druck Veränderung des Atemmechanismus und bis zu einem gewissen Grad der Zirkulation. Chemisch und allein spezifisch: Resorption öl-wasserlöslicher Substanzen durch die Haut (CO2, H2S), Austausch wasserlöslicher Bestandteile zwischen Haut und Badeflüssigkeit. Vielleicht dadurch Veränderung im Salzbestand der Haut und die Möglichkeit zu Funktionsveränderungen des Hautorgans und indirekt des Körpers. Experimentelle Befunde über spezifische Bäderwirkung im Gesamtorganismus sind zur Zeit noch kaum ausreichend vorhanden, mit Ausnahme der CO2-Bäder. Die Brunnenwirkung ist osmotisch und chemisch bedingt. Gesichert sind vor allem die Einflüsse auf den Magen-Darmkanal: Veränderung der Sekretion des Magens, des Darms, der Darmanhangsorgane, Veränderung der Darmmotilität. Unter Umständen vom Darm aus Einwirkung auf den Wasserhaushalt und geringe Steigerung des Gesamtumsatzes. Die postresorptiven Wirkungen der Brunnen sind heute noch schlecht übersehbar. Wahrscheinlich sind Einflüsse auf den Stoffwechsel in seinen verschiedenen Richtungen unter geeigneten Bedingungen möglich.

Möglicherweise beruht die Brunnenwirkung nicht ausschließlich oder hauptsächlich in Aenderungen der Stoffwechselbilanz, sondern in anderen Funktionsänderungen der Organe. Dafür ergeben sich aus den allgemeinen biologischen Wirkungen der Brunnen Vorstellungen und Hinweise für weitere Arbeit.

Die Zusammenfassung zeigt, was am Beginn der ganzen Darlegungen betont wurde: Die theoretische Balneologie ist noch nicht in der Lage, die tatsächlichen Ergebnisse der Balneotherapie direkt und befriedigend zu erklären. Sie gibt uns eine Reihe experimenteller Einzelbefunde und darüber hinaus Arbeitsvorstellungen, deren Kenntnis auch in der Praxis für die richtige Stellungnahme zur Balneotherapie erforderlich erscheint.

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