Dtsch Med Wochenschr 1927; 53(40): 1681-1683
DOI: 10.1055/s-0028-1126869
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Verdauung von Stärke aus geschlossenen Pflanzenzellen und die Bedeutung dieses Vorganges für Physiologie und Pathologie der Verdauung beim Menschen

J. Strasburger - Direktor der Poliklinik
  • Aus der Medizinischen Universitäts-Poliklinik in Frankfurt a. M.
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Publication Date:
20 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Es galt bisher als Tatsache, daß Stärke, die in geschlossenen Pflanzenzellen liegt, den Verdauungsfermenten wegen deren kolloidalem Charakter nicht zugänglich ist. Biedermann zeigte um 1919, hauptsächlich an den Blättern von Elodea und Vallisneria, daß dies nicht zutrifft und daß die in den Chloroplasten der geschlossenen Zellen liegenden Stärkeeinschlüsse durch Speichel gelöst werden, wenn nach Entfernung der Fette und Lipoide eine Behandlung mit Trypsin vorausgeht, sodaß also ein Ferment dem anderen den Weg bahnt.

Um diese Entdeckung für die Verdauungsprobleme beim Menschen auszuwerten, wurden Untersuchungen an entsprechenden Objekten ausgeführt (L. Strauß). Sie zeigten aufs deutlichste, daß verkleisterte Stärke aus geschlossenen Zellen von Kartoffeln und Hülsenfrüchten durch Behandlung mit Mundspeichel, Duodenalsaft und Dünndarmfistelsaft herausgedaut wird und die Kombination von mehreren Fermenten dabei mehr leistet als Diastase allein. Dieser Vorgang ließ sich auch nach Passage des Dünndarms beim Menschen an Dünndarmfisteln feststellen. Eine Eröffnung der Zellen durch Zellulose vergärende Bakterien, wie dies erst im Dickdarm geschieht, war also für die Ausnutzung der Stärke nicht erforderlich. Es wurde nun weiter gefunden, daß, entgegen der bisherigen Vorstellung, die Zellen der Kartoffeln und Leguminosen zum weitaus größten Teil durch die Zubereitung in der Küche nicht eröffnet werden. Ohne die Tatsache der Verdauung aus geschlossenen Zellen wäre daher eine normale Dünndarmverdauung nicht möglich. Ferner kommen wir für die Entstehung der Gärungsdyspepsie und die Frage, ob es eine Hyperpepsie gibt, zu ganz anderen Anschauungen als bisher.

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