Dtsch Med Wochenschr 1911; 37(17): 781-784
DOI: 10.1055/s-0028-1130633
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Ueber die Dauer des Verweilens der Nahrungsmittel im Körper; über Darmträgheit und ihre Behandlung mit warmen Darmeingießungen

A. Hiller - Oberstabsarzt z. D. in Berlin
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Publication Date:
22 June 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Die genossene Mahlzeit geht nicht geschlossen durch den Darmkanal, sondern wird während der Verdauung weit auseinandergezogen. Der Grund hierfür liegt darin, daß bei der peristaltischen Kontraktion immer nur die Randschicht des Darminhalts vorwärts getrieben wird. Je nachdem diese Kontraktion ausgiebiger (Darmreizung) oder flacher (Darmträgheit) wird, erfolgt die Weiterbeförderung des Nahrungsbreies schneller oder langsamer.

2. Durch Verschlucken von rohen, ungeschälten Erbsen nach der Mahlzeit gelang es, die Zeit des Durchganges der Nahrungsmittel durch den Darm zu ermitteln. Sie betrug bei gesunder Verdauung 18—42 Stunden, bei habitueller Stuhlverstopfung 1 Tag 18 Stünden bis fast 5 Tage.

3. Abführmittel (Rheum, Aloë, Cascara Sagrada, Ol. Ricini), wegen Obstipation gereicht, verkürzten die Durchgangszeit der Nahrungsmittel von 42—116 Stunden auf durchschnittlich 14—22 Stunden.

4. Darmreizung durch katarrhalische Entzündung (Durchfall) beschleunigte den Durchgang auf nur 13 bis 15œ Stunden, und Reizung des unteren Dickdarmabschnittes durch katarrhalische Ruhr sogar auf 6œ und 9œ Stunden.

5. Beim Ileotyphus ist die Dauer des Verweilens der Nahrungsmittel im Darm verschieden groß, je nach dem Stadium und der Schwere der Krankheit. In leichten Fällen erschienen die ersten Erbsen in der ersten Woche nach 12 bis 19 Stunden, in der zweiten Woche nach 21—33 Stunden, in der dritten Woche nach 36—65 Stunden. In mittelschweren und schweren Fällen erschienen sie in der zweiten Woche nach 1 Tag 1œ Stunden bis 2 Tage 2 Stunden, in der dritten Woche nach 2 Tagen 22 Stunden bis 3 Tage 7 Stunden, in der vierten Woche nach 3 Tagen 16œ Stunden bis 4 Tagen 15 Stunden. Die letzten Erbsen verließen den Körper in der zweiten Woche durchschnittlich nach 2 Tagen 20 Stunden, in der dritten Woche nach 3 Tagen 18 Stunden, in der vierten Woche nach 6 Tagen 14 Stunden. Diese Darmlähmung im Stadium remissionis des Ileotyphus ist die Ursache des Meteorismus und seiner Folgen.

6. Zur Behandlung der Darmträgheit erwies sich am geeignetsten die täglich morgens ausgeführte Darmeingießung von l l körperwarmen Wassers (35—40 ° C). Die danach eintretende zwei- bis dreimalige reichliche Entleerung reinigt den ganzen unteren Dickdarmabschnitt vom Colon transversum abwärts. Sie regt die Peristaltik im ganzen Dickdarm an und bewirkt dadurch eine Verkürzung der Durchgangszeit, wie beim Gesunden. — Diese Wirkung der warmen Eingießungen schwächt sich selbst nach zwei Jahre hindurch täglicher Ausführung nicht ab.

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