Zusammenfassung
Zusammenfassend möchte ich nur darauf hinweisen, vor wie weittragende Probleme die
gutachtliche Beurteilung funktioneller Hirntraumafolgen stellt.
Der Gutachter kann der Verantwortung seiner nach allen Seiten hin so schwierigen Position
nur gerecht werden, wenn er seine Stellung als „Sachverständiger” klar erkennt und
nicht überschreitet.
Eben das aber zwingt zur erneuten Überprüfung der Lehrmeinung eines unmöglichen ursächlichen
Zusammenhanges zwischen psychogener Reaktion und äußerer Einwirkung. Das ist allerdings
ein sehr heißes Eisen, doch wird man de Morsier beipflichten müssen, wenn er nachdrücklich
fordert, daß wir es anfassen müssen und nicht fallen lassen dürfen, bis der untragbare
Zustand beseitigt ist, daß die entgegengesetzte Rechtsprechung höchstrichterlicher
Instanzen zu einem Gefühl der Rechtsunsicherheit und zu einem Mißtrauen gegen die
ärztliche Wissenschaft führt, — auf einem so bedeutsamen Gebiet wie dem ärztlichen
Gutachterwesen.
Abschließend möchte ich jedoch nachdrücklich der Hoffnung Ausdruck geben, daß niemand
meine Ausführungen dahingehend mißverstanden haben möge, daß ich etwa dem „Rentenhysteriker”
das Wort reden wollte. — Ganz im Gegenteil: Jede nicht sehr kritische Betrachtung
der funktionellen Hirntraumafolgen würde auf das schwerste gegen unsere rechtliche
Verantwortung als Gutachter verstoßen. Wir haben sogar in besonders hohem Maße in
Rechnung zu stellen, daß leider gerade die heutigen sozialen Verhältnisse Rententendenzen
und Versorgungswünsche auch bei Menschen wachrufen werden, die durchaus nicht zu dem
Typ des plumpen Rentenjägers gehören. Viel häufiger handelt es sich um Menschen, denen
es gar nicht bewußt ist, daß ihre verzweifelte soziale Not den Wunsch nach einer Sicherung
zum Vater ihres „Nicht-mehr-Könnens” macht.
Die Fälle dagegen, von denen ich sprach, sind — insofern brauchen die Versicherungsträger
nicht gar zu besorgt zu sein — selten, und je eingehender und gründlicher die neurologische
wie psychologische Durchdringung erfolgt, um so seltener werden sie werden. Aber es
gibt sie, und das macht eine grundsätzliche Ablehnung der Rechtsauffassung des Reichsgerichtes
schwer haltbar.
Das Kriterium liegt letztlich immer in der in jedem Einzelfalle zu prüfenden Frage:
Ist es so, daß hier ein Mensch ein Trauma zum Anlaßnimmt, oder so, daß das Trauma
diesen Menschen durch eine somatische oder psychische Alteration überwältigt hat.