Dtsch Med Wochenschr 1922; 48(15): 481-482
DOI: 10.1055/s-0028-1132893
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Unsere bisherigen Erfolge mit Rivanol bei lokalen Infektionen

Heinz Siebrecht, Joseph Ujhelyi
  • Aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Berlin (Direktor: Geh.-Rat Bier.)
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Publication Date:
23 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Das Rivanol von Morgenroth ist zur Zeit das wirksamste chemotherapeutische Antiseptikum. Wenn wir es mit den. Chininderivaten (Eukupin, Vuzin usw.) vergleichen, so können wir sagen, daß in der Behandlung geschlossener Abszesse dieselben Resultate erzielt worden sind (Bier). Das Rivanol hat ebenso wie das Eukupin bei den fortschreitenden Phlegmonen versagt. Es hat aber gegenüber den Chininderivaten folgende Vorteile:

  1. Es wirkt nicht gewebsschädigend, verursacht also klinisch durch seine chemische Wirkung nicht die geringsten Nekrosen.

  2. Es wirkt nicht nur wachstumshemmend, sondern kann auch bakterizid wirken (Sterilität der geschlossenen Abszeßhöhlen); allerdings kann von einer Regelmäßigkeit nicht die Rede sein.

  3. Seine Applikation verursacht keine Schmerzen, im Gegenteil, es wirkt schmerzlindernd.

  4. Es macht eine akute Entzündung mit Leukozytose, welche klinisch im Sinne der Bierschen „Heilentzündung” aufgefaßt werden kann.

Gegenüber der Inzision besitzt das Rivanol den kosmetischen und funktionellen Vorteil der minimalen Narbenbildung (Mastitis, Abszesse im Bereiche des Gesichtes).

Auf die Bedeutung dieses Vorteiles hat Bier hingewiesen, welcher den hervorragenden Schutz der lückenlosen Hautdecke für die Regeneration bei Punktion heißer Abszesse feststellte: „obwohl sich Nekrosen in heißen Abszessen befinden, verschwinden, sie in der Regel, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, nehmen also einen viel günstigeren Ausgang als die allerbesten, per primam intentionem heilenden Wunden.”

Die konservative Behandlung mit Rivanol kann bei abgeschlossenen Abszessen, einkammerigen Mastitiden, Bursitiden, Gelenkempyemen, Furunkeln, Karbunkeln, nach genauer Kenntnis der Technik mit Erfolg angewandt werden. Bei mehrkammerigen Mastitiden, Lymphadenitis, phlegmonösen Entzündungen ist der Erfolg zweifelhaft. Bei Sehnenscheidenphlegmonen können wir mit dem Rivanol keinen Erfolg erreichen.

Mit dem Rivanol ist das Problem der therapeutischen Tiefenantisepsis noch nicht gelöst. Es kann aber nicht bestritten werden, daß wir diesem Ziele nähergekommen sind.

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