Dtsch Med Wochenschr 1918; 44(4): 96-97
DOI: 10.1055/s-0028-1134213
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Eine kriegsepidemiologische Beobachtung. II. Bakteriologisch-immunobiologischer Teil. (Schluß aus Nr. 3.)

 Uffenorde,  Much
  • Aus einem Feldlazarett. (Chefarzt: Stabsarzt Prof. v. Eggeling.)
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Publication Date:
16 July 2009 (online)

Eine kriegsepidemiologische Beobachtung. I. Klinischer Teil

Zusammenfassung

Die geschilderte Proteuserkrankung ist eine Infektionskrankheit. Much konnte zuerst mit Soucek, dann mit Uffe norde und Suerken Entstehung, Verlauf und Bekämpfung dieser Krankheit erforschen und festlegen.

I. Es handelt sich um eine Vergiftung, die in erster Reihe das vasomotorische Nervensystem betrifft. Beginn mit kurzem, 1—5tägigem Fieber zwischen 38 und 40°. Starke Kopfschmerzen und Schwindel, Ohnmacht, Benommenheit, auch Delirien, Schwäche, Schlaflosigkeit, starke Abgeschlagenheit und Herabsetzung des Appetits bis zur völligen Erlöschung. Der Puls ist verlangsamt, in manchen Fällen sind die Kranken psychisch sehr deprimiert bis zu Todesahnungen. Fast immer bestehen (vasomotorische) Augenschmerzen.

II. Bei den ersten Fällen konnte außer leichten Darmerscheinungen objektiv klinisch nichts Wesentliches festgestellt werden. Erst später zeigte es sich, daß die Krankheit allermeist von einer Nierenreizung begleitet ist. Im Krankheitsbeginn, aber erst einige Tage nach Krankheitausbruch, ist die Nierengegend schmerzhaft, besonders auf Druck. Dem entspricht der Harnbefund: eine Unmenge von granulierten Zylindern. Eiweiß fehlt oder ist nur schwach vorhanden. Der Nierenbefund bleibt nur wenige Tage, verschwindet dann wieder, um bei erneutem Fieberanstieg wieder aufzutreten.

III. Nach den ersten Fiebertagen erscheint ein Ausschlag. Er verschwindet jedoch bald wieder, dauert höchstens 2—3 Tage, manchmal nur einige Stunden und kann, wenn er in der Nacht erscheint, völlig übersehen werden, zumal er nach seinem Verschwinden nicht die geringste Spur auf der Haut hinterläßt. Während des Ausschlags fühlen sich die Kranken erleichtert.

IV. Manchmal beherrschen zeitweilig Magen- und Darmbeschwerden, die sich in Durchfällen äußern, das Bild. Es muß dabei gleichzeitig auf die anderen Erscheinungen geachtet werden. Die Beteiligung des Darmes kann in vielen Fällen ganz fehlen.

V. Mit der ersten Entfieberung ist die Krankheit nicht abgeschlossen. Die Körperwärme kann geraume Zeit normal bleiben, ohne daß die Abgeschlagenheit weicht. In anderen Fällen geht es den Kranken leidlich, bis nach etwa zehn Tagen erneut Fieber ausbricht. Auch zu frühes Aufstehen kann von neuem Fieber mit den erwähnten Begleiterscheinungen aus lösen. Auch langhingezogene subfebrile Temperaturen kommen vor.

VI. Im steril entnommenen Harn findet sich regelmäßig ein Spaltpilz (Bazillus M.), der auf dem gewöhnlichen Wege nicht gezüchtet werden kann. Erst bei zweimaligem Waschen des Harnzentrifugates ist er züchtbar, und zwar reichlich. Besondere Nährböden begünstigen sein Wachstum. Er kann sich sehr lange im Harne halten. In einigen Fällen verschwindet er nach Wochen, in anderen erst nach Monaten.

VII. Die Ansteckung erfolgt im Sumpfgebiet, wahrscheinlich durch eine besondere, dort vorkommende Insektenart. Von Mensch zu Mensch erfolgt durch unmittelbare Berührung keine Ansteckung. Bei den Einwohnern tritt die Krankheit ebenfalls auf, setzt heftiger ein, verschwindet aber auch schneller. Inkubation 3—4 Tage.

VIII. Die Abgrenzung von anderen Krankheiten (Fleckfieber[1)], Grippe, Darmkatarrh, Wolhynisehem Fieber, akuter Nephritis, Paratyphus) ist nach den gegebenen Richtlinien mühelos.

IX. Die Bekämpfung hat demnach vorbeugend zu allererst eine Einschränkung der Sumpfarbeiten, vor allem solcher, die mit Abhebung der Grasnarbe verbunden sind, während der heißen Jahreszeit zu berücksichtigen. Auch dürfen die Leute nur mit Mückenschleiern arbeiten.

Eine Vakzinebehandlung ist teils zur Vermeidung der schädlichen Folgen, teils zur schnelleren Behebung der Krankheit wirksam.

Es ist streng darauf zu achten, daß auch die leichteren Fälle niemals vor Ablauf der fünften Krankheitwoche entlassen werden, da fast immer nach drei Wochen ein Rückfall eintritt, der bei Vernachlässigung gefährlicher werden kann.

Ueberhaupt ist wegen des schleichenden Verlaufes und der Ergriffenheit des Nervensystems große Vorsicht geboten.

1 Gegen abortives Fleckfieber spricht: 1. Nichtübertragbarkeit durch Läuse (s. Fälle bei Eingeborenen). 2. Plötzliches Aufhören mit Ende der warmen Jahreszeit. 3. Art des Ausschlags. 4. Die stets unspezifische (gallertige) Weilsche Reaktion. 5. Die Schwäche der unspezifischen Reaktion. (Bei abortivem Fleckfieber ist die Weilsche Reaktion spezifisch, und zwar sehr hoch positiv.)

1 Gegen abortives Fleckfieber spricht: 1. Nichtübertragbarkeit durch Läuse (s. Fälle bei Eingeborenen). 2. Plötzliches Aufhören mit Ende der warmen Jahreszeit. 3. Art des Ausschlags. 4. Die stets unspezifische (gallertige) Weilsche Reaktion. 5. Die Schwäche der unspezifischen Reaktion. (Bei abortivem Fleckfieber ist die Weilsche Reaktion spezifisch, und zwar sehr hoch positiv.)

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