Dtsch Med Wochenschr 1918; 44(41): 1129-1131
DOI: 10.1055/s-0028-1134722
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Kriegskost und Magenchemismus

Oberstabsarzt L. Roemheld - Fachärztlicher Beirat für Innere Medizin im XIII. (K. W.) Armeekorps
  • Aus dem Kgl. Reservelazarett Schloß Horneck
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Publication Date:
16 July 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Bei Untersuchung eines größeren zur Be obachtung auf Magendarmkrankheiten eingewiesenen Soldatenmaterials, das überwiegend aus Frontsoldaten bestand, fand sich 1916 bei nicht ganz einem Viertel der Fälle (24%), 1917 bei etwa einem Fünftel (21%) Anazidität nach wiederholtem P.F. Mehr als die Hälfte der nach P.F. anaziden Patienten wiesen nach P.M. freie HCl auf.

2. Die Zahl der Superaziden nach P.F. allein war sowohl 1916 wie 1917 auffallend klein (etwa 5%). Bei Untersuchung nach P.F. und P.M. ergaben sich wesentlich höhere Zahlen (15,5% 1916 bzw. 19% 1917).

3. Zur Untersuchung des Magenchemismus genügt, demnach nicht ein P.F.; es ist vielmehr daneben immer die P.M. und in zweifelhaften Fällen auch die Ueberraschungsmahlzeit zu verwenden.

4. Eine wesentliche Aenderung des Magenchemismus seit Anfang 1916, die auf die Kriegskost zurückzuführen gewesen wäre konnte bei den Soldaten unserer Beobachtungsstation nicht konstatiert werden. Immerhin kann eine geringe Verschiebung im Cursch mann-Heinsheimerschen Sinne nicht geleugnet werden, indem eine kleine prozentuale Zunahme der Superazidität (Spalte III und IV) und eine leichte Abnahme der Sub- und Anazidität, beide als eine Sekretionsanomalie aufgefaßt (Spalte I bis IV), nachweisbar ist, die wohl noch erheblicher wäre, wenn unsere Statistik nicht durch überstandene Ruhrerkrankungen im entgegengesetzten Sinne beeinflußt würde.

5. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß vorausgegangene Ruhr den Prozentsatz der Anazidität beträchtlich steigert und die Zahl der Superazidität wesentlich herabdrückt.

6. Da durch den Krieg die Kost beim Militär, speziell in den Lazaretten, keine so wesentliche Aenderung erfahren hat wie bei der Zivilbevölkerung — auch das Kriegsbrot unterscheidet sich nicht allzusehr von dem Kommisbrot der Friedenszeit — dürften zur Untersuchung des Einflusses der Kriegskost auf den Magenchemismus vergleichende Beobachtungen bei der Zivilbevölkerung vor und während des Krieges, wie sie Curschmann angestellt hat, eher geeignet sein als militärärztliche Statistiken. An Kriegsteilnehmern ist eine Einwirkung der Ernährung allein auf die Magensaftsekretion nur schwer einwandfrei zu konstatieren, da hierbei noch eine Reihe anderer Faktoren mitspielen.

7. Für die Frage der militärischen Verwendbarkeit ist die Frage des Magenchemismus im großen und ganzen ohne jede Bedeutung. Für die Kriegsverwendungsfähigkeit eines Mannes ist es, falls im übrigen kein organisches Leiden der Sekretionsanomalie zugrundeliegt, einerlei, ob er an-, super- oder subazid ist. Das hindert nicht, daß man sich als Arzt vergegenwärtigen soll, daß der dauernd an- und subazide k.v.-Mann naturgemäß leichter zu Infektionen des Darmkanals und, infolge der Labilität seines Verdauungstraktus, überhaupt mehr zu Darmkatarrhen neigt, während der Superazide eher zu Ulkusbildung disponiert sein wird.

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