Dtsch Med Wochenschr 1921; 47(11): 293-294
DOI: 10.1055/s-0028-1140509
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber die Kombination der operativen Therapie der Genitaltuberkulose mit der Röntgenbestrahlung (prophylaktische Bestrahlung)1)

E. Vogt - Oberarzt der Klinik
  • Aus der Universitäts-Frauenklinik in Tübingen. (Direktor: Prof. A. Mayer.)
1) Nach einem in der Sitzung vom 26. VII. 1920 im Medizinisch-naturwissenschaftlichen Verein Tübingen gehaltenen Vortrag.
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Publication Date:
24 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Die rein konservative Behandlung kommt nur in Frage bei ganz leichten Fällen und dann, wenn sich die Operation oder die Strahlenbehandlung aus irgendeinem Grunde nicht durchführen läßt.

Der allgemein anerkannte Hauptvorteil der operativen Behandlung besteht darin, daß sie durch die Autopsia in vivo absolute Klarheit über die Schwere und Ausdehnung des Krankheitsprozesses schafft Bei Sterilität und einseitiger Adnexerkrankung verdient die Operation den Vorzug. Die primäre Mortalität im Anschluß an die Operation beträgt bei uns Null, nach Krönig bis 10%. Als Nachteile werden empfunden der lange Klinikaufenthalt, der damit verbundene Kostenaufwand, die Störung der Wundheilung und die Bildung von Kotfisteln.

Bei der prophylaktischen Nachbestrahlung erwachsen für die Patienten kaum Nachteile, außer den größeren Kosten und dem heute doch auf ein Minimum herabgesunkenen Risiko einer Röntgenverbrennung.

Die therapeutische Bestrahlung zeichnet sich dadurch aus, daß sie auch in den Fällen, bei welchen, wie z. B. wegen Kontraindikationen, wie Fieber, akuter Lungenprozeß, die Operation nicht möglich ist, gefahrlos durchgeführt werden kann. Der Klinikaufenthalt dauert nur wenige Tage. Die Ausgaben übersteigen nicht die einer operativen Behandlung.

Durch zwei Tatsachen hat die Röntgenbestrahlung, gleichgültig, ob sie therapeutisch oder prophylaktisch ausgeführt wird, allen andern Methoden unbedingt viel voraus.

Die Aussichten, mit den Röntgenstrahlen alle Krankheitsherde zu treffen und zu zerstören, sind viel größer als bei jeder operativen Behandlung, da sich selbst bei der isolierten Erkrankung in Form von Adnextumoren immer noch eine ausgedehnte Mitbeteiligung des Bauchfells anatomisch nachweisen läßt. Der Ausspruch von Thiersch: „Solange wir glauben, das Karzinom mit dem Messer bekämpfen zu können, sind wir auf dem Irrwege,” ist im gleichen Sinne und mit noch größerer Berechtigung auf die Genitaltuberkulose zu übertragen.

Die Genitaltuberkulose ist im wesentlichen eine Ausscheidungstuberkulose im Sinne von Orth, Simmonds und Aschoff. Irgendwo im Körper muß also ein primärer Herd zurückbleiben. Dieser Herd kann durch die operative Behandlung hur indirekt beeinflußt werden, durch die Röntgenstrahlen aber unmittelbar. Durch die Bestrahlung wird nämlich der Körper gegen die Tuberkulose immunisiert, da die X-Strahlen nicht nur die lokale Erkrankung zum Ausheilen bringen, sondern die immunisatorischen Kräfte des ganzen Körpers verstärken und damit die Widerstandskraft gegen Neuinfektion heben. Somit gibt die Bestrahlung einen Schutz vor Rezidiven wie vor Neuinfektionen.

Es ist das Verdienst von Wilms, auf diese Zusammenhänge hingewiesen zu haben, als ihm auffiel, daß Rezidive bei der Bestrahlung tuberkulöser Lymphdrüsentumoren fortfallen.

Wenn man all diese Punkte der Vorteile und Nachteile der einzelnen Behandlungsmethoden gebührend berücksichtigt, so ergibt sich daraus, daß im Einzelfall streng individualisiert werden muß. Nach unseren Erfahrungen ist die Indikationsstellung für die Behandlung der Genitaltuberkulose insofern zu revidieren, daß man die rein konservative Behandlung einschränkt und möglichst die Operation mit prophylaktischer Röntgenbestrahlung anstrebt. Ist die Operation aus irgendeinem Grunde kontraindiziert, so tritt dann die therapeutische Bestrahlung in ihr Recht.

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