Dtsch Med Wochenschr 1910; 36(34): 1553-1557
DOI: 10.1055/s-0028-1142999
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ein neues Tuberkulin.(Schluß aus No. 33.)

II.: Beobachtungen über die Anwendung des neuen Tuberkulins bei Fällen von LungentuberkuloseFriedrich J. Rosenbach - Leiter der Chirurgischen Universitäts-Poliklinik in Göttingen
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Publication Date:
22 June 2009 (online)

Ein neues Tuberkulin

Zusammenfassung

1. Das Tuberkulin-Rosenbach entsteht durch biochemische Vorgänge beim Wachsen des Trichophyton holosericum album auf lebendigen Tuberkelbazillen und deren Nährböden.

2. Seine Wirkung auf tuberkulöse Menschen und Tiere ist von der der übrigen Tuberkuline in wesentlichen Punkten verschieden.

3. Diese Unterschiede beruhen besonders darauf, daß in dem Tuberkulin-Rosenbach durch den Einfluß des Trichophyton die labileren giftigen Bestandteile verändert oder zerstört werden, während die stabileren immunisierenden erhalten sind. Dadurch ist die Giftigkeit des Tuberkulin-Rosenbach viel geringer, die Dosierung viel höher und die therapeutische Wirksamkeit vermehrt.

4. Die Wirksamkeit kann nach zwei Richtungen hin verwertet werden:

a) Bei Lungen- und sonstigen nicht chirurgischen Tuberkulosen durch subkutane Injektion. Dabei wird das Tuberkulin-Rosenbach ähnlich wie das Alttuberkulin und andere Tuberkuline durch eine elektive Eigenschaft der tuberkulösen Herde in diesen festgehalten. Hier entsteht zunächst eine leukozytäre Entzündung mit etwas Exsudat, sodann Resorption des tuberkulösen Gewebes und ein Heilungsvorgang, soweit nicht käsige oder granulierende Entartung vorliegt. In diesem Falle kann, wo Ausstoßung des nicht resorbierbaren Gewebes möglich ist, auch ein allmählicher Heilungsvorgang einsetzen.

b) Bei Lupus und chirurgischer Tuberkulose durch Injektion des Tuberkulin-Rosenbach in die tuberkulösen Gewebe selbst. Es werden hier dieselben Vorgänge, aber viel intensiver ausgelöst. Die Entzündung nimmt den Charakter einer akuten Phlegmone an, mit starker Exsudation, Leukozytinfiltration und Allgemeinreaktion. Diese Erscheinungen verschwinden alsbald ohne Nachteile. Die Vorgänge der Resorption und Heilung sind bei der örtlichen Einwirkung des Tuberkulin-Rosenbach ebenfalls wesentlich intensiver als bei der Allgemeinwirkung.

Wo keine Verkäsungen, tuberkulösen Granulationen, Vereiterungen etc. bestehen, können sich namentlich frische tuberkulöse Affektionen, z. B. der Gelenke, Sehnenscheiden, etc. nach einer Anzahl von Injektionen völlig zur Norm zurückbilden; ebenso Lupus bis auf schwer vernarbende Reste, welche operativ zu entfernen sind. Herde mit Verkäsungen etc. brechen auf, entleeren Eiter und kommen, unresorbierbare Produkte ausstoßend, unter Schrumpfung auf den Weg zur Heilung. Aufgebrochene Gelenke mit Knochenherden erheischen Resektion; doch muß meistens auch die Kur der aufgebrochenen Weichteilsherde schließlich durch eine Auskratzung vervollständigt werden, weil die Gewebe, welche Sitz der Tuberkulose waren, nur sehr geringen Vernarbungstrieb haben.

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