Dtsch Med Wochenschr 1912; 38(15): 704-708
DOI: 10.1055/s-0029-1189436
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Frage des jetzigen Standes der Luesbehandlung in der Praxis1)

 Lenzmann in Duisburg 1) Bei der Redaktion eingegangen am 17. Oktober 1911.
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Publication Date:
03 July 2009 (online)

Zusammenfassung

  1. Seit der Einführung des Salvarsans in die Therapie der Lues sind die Aussichten, eine frische Infektion von vornherein durch eine energische Behandlung auszurotten und die Krankheit zur definitiven Heilung zu bringen, bedeutend besser geworden.

  2. Der in der Praxis stehende Arzt, der meistens die frischen, noch im Stadium der zweiten Inkubation stehenden Luesfälle sieht, muß es als seine Aufgabe betrachten, diese Fälle — nach sicherer Stellung der Diagnose — sofort ausgiebig zu behandeln. Er muß es sich zum Ziele setzen, durch diese erste Behandlung die Krankheit zum definitiven Abschluß zu bringen.

  3. In jedem Falle ist von vornherein Salvarsan anzuwenden und dieses mit anderen — gegen die Lues wirksamen — Mitteln zu kombinieren. Als solche sind in erster Linie das Quecksilber und das Chinin zu betrachten.

  4. Die allein empfehlenswerte Anwendungsform des Salvarsans ist die intravenöse Injektion oder ihre Ersatzmethoden, die erlauben, das Mittel per Schub dem Blute einzuverleiben. In der Praxis soll man mit Dosen von 0,2 beginnen und nicht über Dosen von 0,3 hinausgehen. Auf diese Weise kann man in einem Zeitraum von acht Tagen in drei Injektionen jedem — auch nicht robusten — Patienten, der keine besondere Kontraindikation bietet, 0,8 des Mittels ohne Bedenken beibringen.

  5. An den zwischen diesen intravenösen Injektionen liegenden Tagen — am zweiten und dritten und am fünften, sechsten und siebenten Tag — sind intravenöse Injektionen von 0,2—0,4 Chinin. Lactic. zu geben. Nach dieser Kur ist unmittelbar anschließend eine etwa zehntägige Quecksilber-Kur mit löslichen Quecksilberpräparaten einzuleiten.

  6. Ergibt die — 14 Tage nach Abschluß dieser kombinierten Behandlung anzustellende — serologische Untersuchung nicht ein negatives Resultat, dann muß eine neue Kur eingeleitet werden, die je nach dem Grad der Reaktion nur eine Salvarsanbehandlung oder wieder eine kombinierte Behandlung sein soll. Jedenfalls ist durch eine energisch fortgesetzte Behandlung eine deutliche negative Reaktion anzustreben.

  7. Ob diese negative Reaktion eine definitive Heilung bedeutet, ist nicht ohne weiteres festzustellen. Dazu bedarf es einer längeren Beobachtung. Es bestehen aber jetzt schon zur Genüge Erfahrungen, die deutlich für eine definitive Heilung nach einer derartigen Kur bei frischer Lues sprechen.

  8. Die oben angedeutete Kur ist ambulant durchführbar. Bei genauer Beobachtung der Indikation und Vermeidung von Fällen, die sich für eine Salvarsanbehandlung nicht eignen, ferner bei Einhaltung mittlerer Dosen und vorsichtigem Beginn mit kleineren Dosen ist eine Anstaltsbehandlung nicht notwendig.

Es würde der Erreichung unseres erstrebenswerten Zieles, die rezente Lues mit Stumpf und Stiel auszurotten, sehr hinderlich sein, wenn wir für jede Salvarsanbehandlung die Ueberführung des Patienten in eine Krankenabteilung fordern wollten. Sehr viele Patienten, die sich einer ambulanten Behandlung willig unterwerfen würden, entschließen sich nicht, sich in ein Krankenhaus aufnehmen zu lassen.

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