Dtsch Med Wochenschr 1912; 38(18): 851-854
DOI: 10.1055/s-0029-1189481
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Bedeutung der Vakzinetherapie für die Urologie1)

Hans Reiter in Königsberg i. Pr. 1) Nach einem auf dem III. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Wien am 12. September 1911 gehaltenen Vortrage.
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Publication Date:
03 July 2009 (online)

Zusammenfassung

  1. Die Vakzinetherapie gonorrhoischer Komplikationen ist, richtige Diagnose und richtige Anwendungsform vorausgesetzt, in 75 % der Fälle von Erfolg begleitet.

  2. Bei andersartigen Erkrankungen des Urogenitaltraktus empfiehlt sich eine zweckmäßige Kombination mit den bisherigen therapeutischen Maßnahmen. Es ergibt sich hier in etwa 60 % eine erhebliche Abkürzung der Krankheitsdauer, und die Vakzinebehandlung sollte daher bei allen lokalisierten Infektionen nach Möglichkeit angewandt werden. Einer Behandlung ausgesprochen allgemeiner Infektionen durch den praktischen Arzt ist zu widerraten.

  3. Die Vakzinetherapie kann auch unter Umständen, zur rechten Zeit angewendet, chirurgische Eingriffe verzögern, bzw. umgehen. Eine günstige Beeinflussung der Urethritis gonorrhoica acuta ist nur selten zu beobachten.

  4. Eine Vakzineinjektion wird in vielen Fällen, wenn es die Natur des Krankheitsherdes gestattet, wertvolle diagnostische Fingerzeige geben. (Heiratskonsens.)

  5. Die besten Erfolge zeitigt die Behandlung mit Eigenvakzin, eine solche ist unbedingt nötig bei Coliinfektionen. Ist die Beschaffung eines Eigenvakzins nicht möglich bzw. mit großen Schwierigkeiten verknüpft (gonorrhoische Arthritis, Epididymitis etc.), oder ist eine sofortige Injektion indiziert, so ist der Gebrauch polyvalenter Vakzine gerechtfertigt.

  6. Die Immunisierung soll zunächst mit kleinen Dosen unter Vermeidung einer Herdreaktion begonnen werden (bei gonorrhoischen Infektionen 0,5 ccm Gonokokkenvakzin nach Wright, 1 ccm = 5 Millionen Gonokokken), und erst später, nachdem man sich in jedem einzelnen Fall überzeugt hat, daß eine geringe Herdreaktion die Wirkung der subkutanen Vakzinezufuhr unterstützt, soll vorsichtig mit den Dosen gestiegen werden, jedoch ohne daß sich eine längere negative Phase einstellt. (Bei gonorrhoischen Infektionen 0,3 ccm Gonokokkenvakzin A—10 nach Reiter, 1 ccm = 50 Millionen Gonokokken). Besteht über den Stand der Infektion Unklarheit, so ist die serologische Untersuchung anzustellen.

  7. Jedes Schematisieren ist als mit dem Wesen der Vakzinetherapie nicht vereinbar absolut unzulässig.

  8. Alle Dosen sind so zu bemessen, daß die negative Phase nicht länger als 24 Stunden dauert; hält sie länger an, so war die Dosis zu groß.

  9. Eine Steigerung der Dosis macht sich nötig, wenn die Wirkung der vorhergegangenen zu gering gewesen ist.

  10. Die Wiederholung der Injektion hat im allgemeinen nicht vor dem fünften Tag zu erfolgen. Je größer die Injektionsdosis ist, desto größer muß das Zeitintervall sein.

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