Dtsch Med Wochenschr 1912; 38(41): 1916-1920
DOI: 10.1055/s-0029-1189866
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber den Einfluß der Bewegung auf den wachsenden und erwachsenen Organismus

 Külbs in Berlin
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei Hunden von demselben Wurf und Geschlecht konnte ich durch Muskelarbeit (Laufen auf einem Hundegöpel) beim Arbeitstier erheblich höhere Gewichte der inneren Organe (besonders von Herz und Leber) erzielen gegenüber dem Kontrolltier. Diese Unterschiede waren sehr groß bei jungen Tieren, waren aber auch bei fast ausgewachsenen in geringem Maße vorhanden. Bei jungen Schweinen schienen ähnliche Gewichtsverschiebungen aufzutreten. Die Skelettmuskulatur nahm bei den Arbeitshunden an Gewicht zu, doch nicht in demselben Maße wie das Herz, verglichen mit Muskulatur und Herz des Ruhekontrolltieres. Die chemische Untersuchung von Herz, Skelettmuskulatur und Leber ergab als wesentlichstes Resultat einen bedeutend höheren Lezithingehalt des Herzfettes und des Leberfettes beim Arbeitstier. In den Röhrenknochen fand ich ausgesprochene Unterschiede des Knochenmarks, rotes Mark beim Arbeitstier, gelbes verfettetes beim Kontrolltier. Daß bei wilden Naturtieren, wenn sie in der Gefangenschaft gehalten werden, das relative Herzgewicht in kurzer Zeit erheblich zurückgehen kann, bewiesen Versuche an wilden Kaninchen. Die sechs Monate lang in engen Käfigen gehaltenen Kaninchen zeigten eine Abnahme ihres relativen Herzgewichts um etwa 25 %, der Fettgehalt des Herzmuskels hatte in dieser Zeit um mehr als das Dreifache zugenommen. Die Skelettmuskulatur nahm in der Gefangenschaft nicht ab, der Fettgehalt der Muskulatur etwas zu.

Diese experimentellen Ergebnisse bestätigen in anderer und exakter Weise das, was wir nach den Erfahrungen des täglichen Lebens annehmen, was wir aus der Physiologie und Pathologie des Menschen, aus der vergleichenden Anatomie wissen. Sie bilden eine Brücke zu den von Bollinger u. a. festgelegten vergleichend-anatomischen Werten. Sie erklären, warum bei allen freilebenden Tieren Bewegungs- und Jagdspiele in ausgedehntem Maße betrieben werden, z. B. bei den jungen Rehen und Füchsen. Sie geben der Vorstellung Raum, daß auch der Bewegungsdrang des jungen Kindes etwas Instinktives, Zweckdienliches, Notwendiges ist und daß in der weiteren Entwicklungszeit wir durch Jugendspiele, Turnen und Sport nicht allein die Skelettmuskulatur, sondern auch die inneren Organe besser auszubilden imstande sind.

    >