Dtsch Med Wochenschr 1914; 40(2): 68-73
DOI: 10.1055/s-0029-1190096
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Herzstörungen nach Unfall

Paul Horn - Oberarzt am Krankenhause der Barmherzigen Brüder. (Intern-neurologische Abteilung.)
  • Aus dem Seminar für Soziale Medizin an der Universität in Bonn. (Leiter: Geheimrat Rumpf.)
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Publication Date:
02 July 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Herzstörungen nach Unfall können entstehen entweder nach psychischer oder nach mechanischer Einwirkung. Erstere können primär als unmittelbare Unfallfolge oder sekundär im weiteren Krankheitsverlaufe auftreten. Herzstörungen nach mechanischer Einwirkung sind klinisch entweder bleibend funktioneller, vorübergehend funktioneller und dann organischer oder sogleich ausgesprochen organischer Natur.

2. Primär auftretende psychogene Herzstörungen nach Unfall finden sich vor allem bei den sogenannten Schreckneurosen, meist kombiniert mit Gefäßanomalien oder sonstigen Erscheinungen im vegetativen Nervensystem.

3. Sekundär sich entwickelnde Herzstörungen funktioneller Natur sind ursächlich in vielen Fällen auf die durch Rentenkämpfe etc. bedingten Aufregungen zurückzuführen. Sie gehören alsdann zum Symptomenbilde der Rentenkampfneurose und sind als solche unter Umständen nicht entschädigungspflichtig.

4. In seltenen Fällen können auch arteriosklerotische Veränderungen im Verlaufe der Rentenkampfneurosen entstehen. Ebenso wird gelegentlich Arteriosklerose nach Kopftraumen beobachtet. Zur Anerkennung des Unfallzusammenhanges ist jedoch der Ausschluß sonstiger ätiologischer Momente unbedingt erforderlich.

5. Die Prognose funktioneller Herzstörungen nach Unfall ist, wie die der meisten Unfallneurosen, günstig, falls die Entschädigungsansprüche durch einmalige Abfindung baldigst und definitiv erledigt werden. Beim Rentenverfahren dauert das Abklingen funktioneller Störungen in der Regel ganz erheblich länger oder bleibt vollkommen aus.

6. Ein abwartendes Verhalten empfiehlt sich bei der Entschädigung funktionell erscheinender Herzstörungen nach Brustkontusionen.

7. Organische Schädigungen des Herzens nach mechanischer Einwirkung (Brustkontusion, heftige Allgemeinerschütterung, körperliche Ueberanstrengung) tragen mitunter zunächst rein funktionellen Charakter, führen dann weiterhin allmählich, gelegentlich aber auch rapide zu erheblichen Veränderungen des Herzens und Störungen der Zirkulation. Stärkere Läsionen des Herzens, Zerreißungen der Klappen oder dergleichen haben ein sofortiges Auftreten schwerer und klinisch ausgesprochen organischer Erscheinungen im Gefolge.

8. Wichtig für die Frage des Kausalzusammenhanges zwischen Unfall und organischem Herzleiden ist das Vorhandensein von Brückensymptomen sowie der Nachweis verminderter Leistungsfähigkeit in der Zwischenzeit. Möglichste Klarstellung der Anamnese.

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