Dtsch Med Wochenschr 2009; 134(12): 599
DOI: 10.1055/s-0029-1208093
Kommentar | Commentary
Gynäkologie, Geburtshilfe
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reisen in der Schwangerschaft – Risiko oder Selbstverständlichkeit?

Traveling while pregnant – perilous or a matter of course?P. Bung1
  • 1Praxisklinik am Friedensplatz, Bonn
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eingereicht: 19.1.2009

akzeptiert: 29.1.2009

Publication Date:
10 March 2009 (online)

Reisen ist heute für die Bewohner der sog. industrialisierten Länder ein selbstverständlicher Bestandteil ihres „modernen” Lebens. Insbesondere durch die Möglichkeit des Fliegens und immer günstigere Preise erscheint keine Destination zu weit und kein Ziel zu exotisch. So besuchen mehr als 50 Millionen Menschen aus diesen Ländern jährlich Länder der Dritten Welt. Bei einer derartig ausgeprägten allgemeinen Reisetätigkeit in diese Länder ist z. B. die Information über die Prävention von Krankheiten durch eine Impfprophylaxe von großer Bedeutung. Sie wird zu einem wichtigen Bestandteil der frauenärztlichen Beratung insbesondere bei Schwangeren, die für Infektionen anfälliger sind als Nicht-Schwangere, und bei denen eine Infektion das Risiko einer kindlichen Gefährdung in sich birgt. Aber auch bei Reisen in „entwickelte” Länder sind für Schwangere einige gesundheitliche Grundsätze zu beachten. Denn das defizitäre Wissen und die mangelnden Kenntnisse von Schwangeren hinsichtlich Verhalten und Kompatibilität von Reisen mit der Schwangerschaft ist beträchtlich: So konsultiert nur ein Drittel der Schwangeren vor Reisebeginn einen Arzt bzw. eine Hebamme. Ein weiteres Drittel reist ohne ausreichenden Versicherungsschutz. Ein anderes Drittel weiß nicht, dass Fliegen ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien darstellt.

Im Wesentlichen lassen sich die Risiken in die

Wahl des Reisemittels (Fliegen, Autofahren, Schifffahrt), „Gefahren” am Reiseziel durch z. B. körperliche Aktivitäten und Sport oder aber durch medikamentöse Maßnahmen, präventiver oder therapeutischer Natur,

einordnen.

Grundsätzlich ist das 2. Trimenon die günstigste Phase zum Reisen, da die Organogenese abgeschlossen ist und die „mechanischen” Probleme der Spätschwangerschaft noch nicht eingetreten sind. Allerdings besteht auch bei Flügen bis zur 36. SSW kein erhöhtes Risiko einer höhenbedingten Hypoxie oder einer kosmischen Strahlenbelastung. Dagegen existiert bereits im 1. Trimenon die erhöhte Gefahr von oberflächlichen und tiefen Thrombophlebitiden bzw. Embolien, weswegen z. B. isometrische Dehnübungen und ausreichende (nicht alkoholische) Flüssigkeitszufuhr sinnvoll sind. Diese Gefahr besteht auch beim Autofahren, wo im Übrigen das Anlegen von Sicherheitsgurten unverzichtbar bleibt.

Bei den Aktivitäten vor Ort ist grundsätzlich den „nicht Gewicht tragenden” Sportarten der Vorzug zu geben; Dazu zählen Fahrradfahren, Schwimmen, Nordic Walking in einer moderaten Intensität und in der Form, dass die mütterliche Herzfrequenz 140 Schläge/min nicht überschreitet bzw. eine gleichzeitige Unterhaltung möglich ist (sog. Talk-Test). Ungeeignet sind Mannschafts-, Ball- und Kampfsportarten sowie Tauchen, Wasserski und heiße Bäder und Tätigkeiten, bei denen plötzlich die Bauchpresse aktiviert wird (sog. Valsalva-Manöver). Prinzipiell ist die oxytocinbedingte erhöhte Verletzungsgefahr durch Dehnen und Umknicken zu beachten, weshalb auch keine neuen, ungewohnten Bewegungsabläufe respektive Sportarten in der Schwangerschaft begonnen werden sollten.

Bei Reisezielen, die einen Impfschutz vorsehen, sollte sorgfältig zwischen den Vorteilen und Risiken abgewogen werden. Unter Umständen sollte vor Reisen in die Tropen abgeraten werden, bzw. falls unumgänglich, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen empfohlen werden: Dazu zählen die Vermeidung von Insektenstichen durch Moskitonetze und Repellentien sowie das Tragen von langer Kleidung. Schwimmen in frischem Wasser ist wegen der Schistosomiasis ebenso zu vermeiden wie der Konsum von ungekochten Lebensmitteln oder des örtlichen Wassers (Toxoplasmose, Diarrhöe, Hepatitis). In einer möglicherweise notwendigen medikamentösen Behandlung ist ebenfalls eine Abwägung erforderlich, da nur wenige der dann erforderlichen Medikamente gänzlich unbedenklich zu applizieren sind.

Prof. Dr. P. Bung

Praxisklinik am Friedensplatz

Friedensplatz 9

53111 Bonn

Email: gyn-praxisklinik-bonn@t-online.de

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