Z Geburtshilfe Neonatol 2009; 213 - A2
DOI: 10.1055/s-0029-1216302

Aktuelle Fehlbehandlungen bei chronischer Hypertonie in der Schwangerschaft

V Homuth 1, R Dechend 1, W Derer 1
  • 1Helios Klinikum Berlin, Franz-Volhard-Klinik, Berlin, Deutschland

Etwa 50% aller hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft sind einer chronischen Hypertonie zuzuordnen. Somit sind 4–5% aller Schwangerschaften davon betroffen. Dabei gelten besonders schwergradige und therapieresistente Hypertonieformen als bedeutsamster Risikofaktor für die Entwicklung einer Pfropfpräeklampsie. Im gebärfähigen Alter haben jedoch mehr als 80% der Betroffenen eine unkomplizierte milde Hypertonie (Stadium I), die in der Regel während des relativ kurzen Zeitraums einer Schwangerschaft mit nichtmedikamentösen Maßnahmen behandelt werden kann. Die klinische Praxis zeigt jedoch noch verbreitet Unsicherheiten hinsichtlich Indikation und Art einer medikamentösen antihypertensiven Therapie. In jüngster Zeit von internistisch geprägten medizinischen Fachgesellschaften differenziert geforderte niedrigere Zielblutdruckwerte in der Hypertoniebehandlung zur optimalen Verminderung des kardiovaskulären Risikos haben ungewollt zu dieser Verunsicherung beigetragen und auch in jüngeren Altersklassen weniger differenziert zu einem großzügigeren Einsatz einer Pharmakotherapie geführt. Aspekte der Promotion und Ökonomie führen dabei häufig zum Einsatz von Antihypertensiva ohne Berücksichtigung einer potentiellen Schwangerschaft. Diese Verwirrung wird durch ungenügend abgestimmte und in sich widersprüchliche Empfehlungen (z.B. ESC und ESH Guidelines 2007) verstärkt. Anhand von Falldarstellungen einer internistisch geführten Fachambulanz für Hypertonie in der Schwangerschaft werden für die aktuelle klinische Praxis typische antihypertensive Fehlbehandlungen in der Schwangerschaft dargestellt und analysiert, spezifisch zur Rolle von DHP-Kalziumantagonisten, Angiotensin AT1-Rezeptorantagonisten und Betablockern hinsichtlich potentieller embryotoxischer und negativer hämodynamischer Effekte. Schlussfolgernd ergibt sich daraus die Dringlichkeit einer verbesserten interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizin, internistischen Disziplinen und Geburtsmedizin. Ein Modell dafür ist die von der Deutschen Hochdruckliga im Rahmen der Hypertonie-Akademie angebotene obligatorische Fortbildung zum Erwerb und zur Bestätigung der Qualifikation des „Hypertensiologen DHL“, die ein mit der AG Schwangerschaftshochdruck/Gestose abgestimmtes Modul zur Hypertonie in der Schwangerschaft enthält.