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DOI: 10.1055/s-0029-1239603
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Bericht aus der Praxis - Medizinische Versorgung in der JVA Bremen
Publication History
Publication Date:
24 August 2009 (online)
Der Arzt im Vollzug
Der Gefängnisarzt arbeitet in einem Spannungsfeld zwischen Medizin und Justiz. Täglich werden wir mit medizin-ethischen Fragestellungen konfrontiert und erfahren den kranken und delinquenten Menschen als sozialmedizinisches Problem. Die Berechtigung der weiten Begriffsdefinition der WHO von Gesundheit als "Zustand von vollkommenen geistigen, körperlichen und sozialem Wohlbefinden" wird im Gefängnis jeden Tag gespiegelt. Der Zusammenhang zwischen Delinquenz, finanzieller Situation und Krankheit kann kaum deutlicher dargestellt werden als an den Insassen einer JVA.
Die Arzt-Patientenbeziehung ist dabei außergewöhnlich. Der Ort des Zusammentreffens von Arzt und Patient ist der einer totalen Institution. Der Arzt ist zunächst für den Patienten ein Teil dieses repressiven Systems "Knast" und der Mediziner ist einer der wenigen Akteure in diesem Setting, der eventuell zu einer Verkürzung des Aufenthaltes beitragen kann. Er könnte eine Haftunfähigkeit bescheinigen oder ein Gnadengesuch unterstützen oder einfach mit der Einweisung in eine Klinik zu angenehmeren Unterbringungsbedingungen, ggf. zur Flucht, beitragen. Es werden also Rollen eingenommen, die in einer normalen Praxis so nicht auftreten und der Arzt wird regelmäßig versucht zu manipulieren und zu instrumentalisieren. Der Patient hat nicht selten gar kein Interesse gesünder zu werden oder zu erscheinen. Doch auch der Vollzug möchte den Mediziner für sich zu gewinnen. Man erhofft sich Zugang zu Aussagen bezüglich des Drogenkonsums, wünscht eine umfassende Information zu psychiatrischen Störungen und möchte über infektiologische Fragestellungen informiert sein. Auch Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter, Sozialarbeiter und Drogenhilfe wenden sich an den Anstaltsarzt, z.T. auch mit unbilligen Anliegen.
JVA Bremen (Foto: Kathleen Schwarz).
