Suchttherapie 2009; 10 - PO29
DOI: 10.1055/s-0029-1240461

Der Einfluss psychiatrischer Komorbidität auf Erkrankungsverlauf und Abstinenzaussichten bei alkoholabhängigen Patienten. Ergebnisse zum Tübinger Modell

C Maenz 1, P Peukert 1, B Huss 1, A Batra 1
  • 1Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen, Tübingen

Einleitung: Bei einer Alkoholproblematik treten gehäuft komorbide psychische Störungen auf und beeinflussen deren Verlauf und Prognose. Diese Studie untersucht in einem kontrollierten Design den Einfluss komorbider psychischer Störungen und psychometrischer Auffälligkeiten auf die Abstinenzaussichten nach Abschluss einer Alkoholentwöhnung.

Methodik: Untersucht wurden N=128 Patienten des Behandlungsjahrganges 2002 i. R. des sog. „Tübinger Modells“. Bei dieser kombinierten stationär–ambulanten Gruppentherapie folgt einer 6wöchigen stationären Behandlung eine einjährige ambulante Nachbehandlung. Die katamnestische Untersuchung der Abstinenz sowie psychometrischer Querschnittsbefunde (STAI; TPQ; ADMS) erfolgte 12 Monate nach Beendigung der ambulanten Nachbehandlung, also 24 Monate nach stationärer Aufnahme unter Einbeziehung der stationären Behandlungsdaten (Eingangsdiagnose, Behandlungsverlauf) an N=56 Patienten.

Ergebnisse: Die Abstinenzrate nach Abschluss des ambulanten Behandlungsjahres betrug 57%. Patienten mit einer psychiatrischen Komorbidität nach ICD–10 (N=28) wiesen im psychometrischen Querschnitt signifikant höhere Werte bzgl. Depressivität, Ängstlichkeit und Subskalen des TPQ auf. Ein Zusammenhang der Abstinenz mit dem Vorliegen einer Komorbidität konnte nicht nachgewiesen werden. Patienten, die während der Behandlung–unabhängig von der Frage der Komorbidität–rückfällig wurden, hatten signifikant höhere Rückfallraten im Katamnesezeitraum.

Diskussion: Der Nachweis der Prädiktorfunktion eines Rückfalls während der Behandlung für weitere Rückfälle im Behandlungsverlauf steht im Einklang mit bisherigen Befunden. Ein negativer Einfluss der psychiatrischen Komorbidität auf den langfristigen Behandlungsverlauf konnte – anders als in der Literatur beschrieben – nicht nachgewiesen werden. Das „Tübinger Modell“ scheint die psychiatrische Komorbidität ausreichend zu berücksichtigen und die Abstinenzaussichten dieser Subgruppe von Patienten zu erhöhen.