Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(3): 127
DOI: 10.1055/s-0029-1241085
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Ethisches Fallbeispiel – Kommentar 1 - Inoperabler Zungentumor bei "schwerstbehinderter" Frau

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Publication Date:
11 September 2009 (online)

 

Vorgeschichte

Bei der 39-jährigen, seit Geburt geistig und körperlich schwerstbehinderten Frau M. fallen ein Gewichtsverlust und eine Essensunwilligkeit auf. Seit 30 Jahren lebt sie gut betreut in einem Heim. Eine Kommunikation mit ihr ist nicht möglich, gelegentlich artikuliert sie laut, aber orientierungslos. Auf Berührungen, z.B. bei der Körperpflege, besonders durch ihr fremde Personen, reagiert Frau M. mit heftiger Abwehr. Auf ihre Pflegerin und Angehörigen machte Frau M. keinen leidenden Eindruck.

Die HNO-ärztliche Endoskopie ergibt ein die Mittellinie überschreitendes und in die seitliche Pharynxwand infiltrierendes Plattenepithelkarzinom der Zunge (T4, N2b, Mx, G3). Fragliche Rundherde in der Leber bedürfen der weiteren Abklärung. Die Prognose eines Tumors dieser Ausdehnung und mit diesem Nodalstadium ist als sehr ungünstig anzusehen. Eine Operation mit kurativer Zielsetzung würde trotz Rekonstruktion zu erheblichen Schluckstörungen führen, die von der behinderten Frau in Anbetracht der Aspirationsgefahr nicht zu kompensieren wären. Eine alleinige Chemotherapie ist beim Plattenepithelkarzinom nicht indiziert. Die Heilungschance einer Bestrahlung (30–35 Sitzungen) wird seitens der Radiotherapeuten als sehr gering angesehen. Möglich wäre aber eine palliative Strahlentherapie mit 10–13 Sitzungen in Narkose. Dazu müsste Frau M. hospitalisiert und rund um die Uhr betreut werden, da sie fremde Berührungen (z.B.durch Pflegende) ablehnt und sämtliche Fremdkörper – wie Magensonde oder Pflaster – entfernt. Ferner wären ein Tracheostoma und eine Ernährungssonde (PEG-Sonde) anzulegen.

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