Rofo 2010; 182(10): 911
DOI: 10.1055/s-0029-1245712
Würdigung

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Zum 100. Geburtstag Lothar Diethelms

M. Georgi1
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Publication Date:
04 October 2010 (online)

Mitte der 60er-Jahre lernte ich Lothar Diethelm, den damaligen Inhaber des radiologischen Lehrstuhls der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, persönlich kennen. Vier Jahre nach meiner Habilitation war ich Oberarzt an der Universitäts-Strahlenklinik Heidelberg unter Prof. Josef Becker, als mich 1972 sein Angebot erreichte, meine Laufbahn an seinem Institut fortzusetzen. Er übertrug mir als Oberarzt die Leitung der Chirurgischen Röntgenabteilung und gestattete mir, einen meiner Heidelberger Mitarbeiter mitzubringen. In der Folge sollte es sich sehr positiv auswirken, dass der mich begleitende Assistenzarzt Rolf Günther hieß und wie schon Eberhard Zeitler von Mainz aus zu einem der bedeutendsten Vertreter der Interventionellen Radiologie wurde.

Ich erlebte Lothar Diethelm als einen herausragenden Diagnostiker, der sein noch alle Disziplinen der Radiologie vereinendes Institut straff führte. Bei nahezu allen Röntgendemonstrationen war er präsent. Im Ablauf derselben mischte er sich nur ein, wenn von einem der anwesenden Klinikchefs Zweifel an einer der vorgestellten Diagnosen geäußert wurde. Dem wurde von uns vorgebeugt, indem wir ihm vorher unklare Fälle vorstellten und seine Meinung einholten. Dabei war er sehr kritisch und fragte häufiger mit den Worten seines ersten radiologischen Lehrers Prof. A. Bernstein/Danzig: „Und wie viele Finger Ihrer Hand ist Ihnen Ihre Diagnose wert?”. Umgekehrt erlebte ich häufig, dass er mich ohne Kenntnis seiner Meinung zu einem der von ihm untersuchten Fälle Stellung nehmen ließ. Seine Genugtuung war unübersehbar, wenn wir, wie fast immer, übereinstimmten.

Lothar Diethelm wurde am 3.4.1910 als Sohn Schweizerischer Vorfahren in einer Kleinstadt Westpreußens geboren. Nach dem Medizinstudium in Zürich, München, Königsberg und Kiel begann er seine radiologische Ausbildung in Danzig und konnte sie in den 30er-Jahren bei Karl Frik in Berlin fortsetzen. Als dieser 1938 als Ordinarius das Radiologische Institut des Universitätsklinikums Charité übernahm, begleitete ihn L. Diethelm als Oberarzt. Während des 2. Weltkriegs war er Leiter der Röntgenabteilung von Reservelazaretten in Berlin und Posen, daran anschließend der des Städtischen Krankenhauses Bromberg. Nach der Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft Ende 1945 wurde er Leiter der Röntgenabteilung der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel. 1947 habilitierte er sich hier mit einer Arbeit über Fehlbildungen der Wirbelsäule, deren Erforschung er auf Anregung des Dresdner Pathologen Schmorl schon 1939 begonnen hatte.

Das Skelettsystem blieb einer der Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Eine weitere Pionierleistung in Kiel wurde die Einführung des Röntgenbildverstärkers in die klinisch-chirurgische Praxis. Auf dem Gebiet der Strahlentherapie leistete er grundlegende Arbeit zur Rotationsbestrahlung des Ösophaguskarzinoms. Seit 1957 war er maßgeblich am Entstehen des Handbuchs der Medizinischen Radiologie im Springer-Verlag beteiligt, das mit ihm als Mitherausgeber und Autor in 60 Bänden erschien.

1961 wurde er auf den radiologischen Lehrstuhl der Universität Mainz berufen. Hier zeigte er sich neuen Entwicklungen seines Faches, wie der Angiografie und der Nuklearmedizin, sehr aufgeschlossen, die er 1970 in einem viel beachteten Symposium zusammenführte. Mit Sigurd Wende, dem Abteilungsleiter für Neuroradiologie im Universitätsklinikum Mainz, wurde er Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie.

Lothar Diethelm erfuhr zahlreiche Ehrungen. 1967 war er Präsident des 48. Deutschen Röntgenkongresses in Baden-Baden. Darüber hinaus verlieh ihm die Deutsche Röntgengesellschaft die Albers-Schönberg-Medaille und zeichnete ihn mit ihrer Ehrenmitgliedschaft aus. Gleiches erfuhr er durch zahlreiche radiologische Gesellschaften des Auslands.

Nach seiner Emeritierung 1979 blieb er bis zu seinem Tod am 30.8.2000 als eine der großen Gestalten der deutschen Radiologie verbunden. Seine Schüler, darunter auch der Verfasser dieser Zeilen, sind ihm zu größtem Dank verpflichtet.

M. Georgi

Prof. Dr. Lothar Diethelm

Prof. Dr. Max Georgi

Im Hefen 4

69493 Hirschberg

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