Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2010; 4(06): 409-428
DOI: 10.1055/s-0030-1248588
Störungsübergreifende Themen und Methoden

Medizinische Labordiagnostik in Psychiatrie und Psychotherapie

Michael Paulzen
,
Gerhard Gründer
Kernaussagen

Eine rationale Labordiagnostik steigert Qualität und Effizienz der psychiatrischen Patientenversorgung. Sie dient zum Nachweis oder Ausschluss organischer Ursachen psychischer Störungen ebenso wie zur Verlaufskontrolle im Rahmen einer begonnenen Psychopharmakotherapie. Sie ist eine notwendige Ergänzung zur klinischen Untersuchung und apparativen Diagnostik und kann schon im Rahmen der Präanalytik auftretende Störfaktoren ausschließen.

Medizinische Labordiagnostik in der Psychiatrie umfasst sowohl die Serumdiagnostik wie die Liquordiagnostik, beide Bereiche liefern wichtige Aussagen und helfen bei der differenzialdiagnostischen Einschätzung psychischer Störungen.

Die Liquordiagnostik hat einen entscheidenden Stellenwert insbesondere bei der Diagnostik demenzieller Syndrome sowie beim Nachweis einer möglichen Hirnbeteiligung infektiöser Erkrankungen wie einer HIV-Infektion oder einer Neurosyphilis.

Auch im Rahmen der Serumdiagnostik werden Aussagen über infektiöse Erkrankungen getroffen. Insbesondere Infektionen mit Hepatitisviren finden sich bei psychiatrischen Patienten gehäuft, wobei die Gruppe der Drogenabhängigen den größten Anteil ausmacht.

Auswahl und Bewertung geeigneter Alkoholmissbrauchs-Kenngrößen oder der Nachweis eines Substanzkonsums in Blut oder Urin kann eine sinnvolle Voraussetzung für das Einleiten einer geeigneten Therapie darstellen oder bei unklaren Intoxikationen dabei helfen, erforderliche Gegenmaßnahmen initiieren. Die Auswahl einer zielgerichteten Diagnostik kann hier wertvolle Aufklärungsarbeit leisten und ein unnötiges Ausufern eingesetzter Untersuchungen zu verhindern. Schneller Kontakt zu einer Vergiftungszentrale kann bei Intoxikationen jedweder Art eine wichtige Unterstützungsmaßnahme sein.

Insbesondere metabolische Konsequenzen unter Antipsychotika der sog. 2. Generation oder die Gefahr des Auftretens von Blutbildveränderungen unter trizyklischen Psychopharmaka erfordert eine engmaschige Laborkontrolle.

Schließlich dient das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) dazu, pharmakokinetische Variabilitäten bei psychiatrischen Patienten zu kontrollieren und korrigieren oder eine Nichtcompliance zu erkennen.

Der klinisch tätige Psychiater wird in Zukunft immer mehr gefordert sein, neben den nicht pharmakologischen Interventionen eine rationale Psychopharmakotherapie in Einklang mit einer rationalen medizinischen Labordiagnostik zu bringen, um vor Behandlungsbeginn sowie im Behandlungsverlauf durch eine effektive und effiziente Inanspruchnahme rationaler diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen den höchsten Nutzen für den Patienten zu erzielen.



Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. September 2010 (online)

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

 
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