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DOI: 10.1055/s-0030-1250008
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Notfälle in der Frauenheilkunde
Publication History
Publication Date:
21 May 2010 (online)
Zusammenfassung
Notfallsituationen in Geburtshilfe und Gynäkologie unterscheiden sich entsprechend des grundsätzlichen Dualismus des Faches Frauenheilkunde grundsätzlich voneinander. Während Schwangerschaft und Geburt stets durch die ärztliche Sorge um 2 Individuen geprägt sind, tritt uns die gynäkologische Notfallpatientin analog zum Setting, bekannt aus anderen Fächern, gegenüber.
Literatur
- 1 Kainer F, Schiessl B, Kästner R. Geburtshilfliche Notfälle. Geburtsh Frauenheilk. 2003; 28 R161-R184
- 2 Kainer F. Facharzt Geburtsmedizin. München; Elsevier, Urban & Fischer 2006
- 3 Martius G, Rath W. Geburtshilfe und Perinatologie. Stuttgart; Thieme 1998
- 4 Rath W. Das HELLP-Syndrom – eine interdisziplinäre Herausforderung. Dt Ärztebl. 1998; 95 2997-3002
- 5 Rath W. Are fatal hemorrhagic complications during and after birth preventable?. Z Geburtsh Neonatol. 2003; 207 1-5
- 6 Rath W. AWMF-Leitlinie: Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. 2007
- 7 Rath W, Surbek D, Kainer F et al. Diagnostik und Therapie peripartaler Blutungen. Frauenarzt. 2008; 49 202-208
- 8 Strauss A, Heer I M, Müller-Egloff S, Burges A. Ultraschallpraxis Geburtshilfe und Gynäkologie. Heidelberg; Springer 2004
- 9 Strauss A, Heer I M, Schulze A, Bauerfeind I. Geburtshilfe Basics. Heidelberg; Springer 2006
- 10 Strauss A, Janni W, Maass N. Klinikmanual Gynäkologie und Geburtshilfe. Heidelberg; Springer 2008
Diagnose |
Symptome |
Befunde |
Maßnahmen |
Was ist zu beachten? Weitere Differenzialdiagnosen |
Placenta praevia marginalis, totalis |
schmerzlose, oft starke Blutung |
vaginal- oder rektalsonografische Lagebeurteilung des inneren Muttermunds im Bezug zur Plazenta (B-Bild und Farbdopplersonografie) |
wenn kein Sistieren der Blutung: (Not)sectio wenn Blutungsstopp: stationäre Überwachung |
bei hohem Blutverlust Gefahr des hämorrhagischen Schocks, des IUFT, der Gerinnungsstörung; in 10 % Verlust des Uterus |
vorzeitige Plazentalösung |
plötzliche Schmerzen, bretthartes Abdomen |
CTG‐Alterationen |
Sonografie (eine frische Blutung kann schwer darstellbar sein). Bei Bestätigung: Notsectio |
Eine unklare Tachykardie im CTG, auch ohne vaginale Blutung, kann als Zeichen einer drohenden fetalen Hypoxie Hinweis auf eine Plazentalösung sein |
Uterusatonie |
hochstehender Fundus uteri, starke vaginale Blutung postpartal, hämorrhagischer Schock |
Schockindex > 1, im Verlauf Gerinnungsstörung |
Uterus anreiben, Uterus halten (Credé-Handgriff), Plazenta beurteilen (Vollständigkeit?), vaginale Speculumeinstellung (Geburtsverletzung?), Eisblase auf Uterus, Harnblase leeren, Quantifizierung des Blutverlusts Vorgehen stufenweise: Oxytocin Bolus 3 IE, Oxytocin Dauerinfusion 10 IE auf 500 ml (90–300 ml/h, Sulproston 500 µg in 500 ml NaCl (Nalador®) 100–300 ml/h, Prostaglandin-F2α-Tamponade und/oder lokale Injektion in das Myometrium. Bei Persistenz der Blutung (drohender Gerinnungsstörung): chirurgische Maßnahmen (manuelle/instrumentelle Nachtastung), ggf. Hysterektomie |
Gefährlichste Komplikation für die Mutter in der gesamten peripartalen Periode. Insbesondere nach langer Gabe von Oxytocin (Wehenschwäche) steigt die Gefahr einer atonen Blutung. Hysterektomie nicht „zu spät“ durchführen (Gerinnungsstörung). Keine gleichzeitige Gabe von Oxytocin und Sulproston (Nalador®) |
Uterusruptur |
Blutung, perakute Schmerzen, bretthartes Abdomen |
Tokografie: Tonusverlust, keine Wehen mehr. Kardiografie: Alteration der Herztöne (Bradykardie) |
Sonografie – bei Bestätigung: Notsectio |
Z. n. Sectio – Rupturrisiko 1 % bei Quer-, 4 % bei Längsschnitt. Die gut sitzende Regionalanästhesie kann die Ruptur verschleiern. Lösung: intrauterine Drucksonde |
(Prä-)Eklampsie HELLP-Syndrom |
Kopfschmerzen, Augenflimmern, Ohrensausen, Oberbauchschmerzen (rechts), Ödeme, Krampfanfall, (Blutung) |
Hypertonus (> 170/110 mmHg), Proteinurie, Thrombozytopenie, Erhöhung Transaminasen, Hyperreflexie, Gerinnungsstörung |
Monitoring Vitalparameter, Laborwertbestimmung, CTG, Magnesiuminfusion bei Hypertonie/Hyperreflexie zur Krampfanfallsprophylaxe (Initialdosis 4–6 g MgSO4, Erhaltungsdosis 1–2 g/h, Zielspiegel 2,0–3,0 mmol/l), ggf. fetale Dopplersonografie |
postpartale Entwicklung einer (Prä-)Eklampsie oder eines HELLP-Syndroms möglich (20 %) HELLP-Syndrom auch ohne Hypertonus möglich |
Diagnose |
Symptome |
Befunde |
Maßnahmen |
Was ist zu beachten? Weitere Differenzialdiagnosen |
Ovarialtorsion |
akuter, stechender, einseitiger Unterbauchschmerz, bei intermittierender Torsion u. U. kolikartiger Schmerz, Übelkeit, Erbrechen |
negativer Schwangerschaftstest, palpable (teigige) Schwellung im Adnexbereich, Fieber und Leukozytose bei Nekrose des Ovars, Dopplersonografie: zunächst venöse, später arterielle Flussveränderungen (pathognomonisch), ein regelrechtes dopplersonografisches Flussmuster schließt eine Torsion jedoch nicht aus |
frühzeitige Diagnosesicherung und Therapie durch Laparoskopie, Versuch der Retorquierung auch bei makroskopisch wenig hoffnungsvollen Befunden, mindestens 24 h stationäre Überwachung postop., Re-Laparoskopie bei Therapieversagen (Anstieg der Entzündungsparameter, Fieber, keine Beschwerdebesserung) |
Ovarialzystenruptur, Tuboovarialabszess, Extrauteringravidität |
Ovarialzysten/-ruptur |
akuter Schmerzbeginn, Abwehrspannung, Volumenmangel(schock) |
negativer Schwangerschaftstest, Raumforderung in einem Adnexbereich, (mäßig viel) freie Flüssigkeit im Douglas'schen Raum |
Schmerztherapie, Kontrolle der hämodynamischen Parameter und des Hb-Wertes, ggf. Behandlung eines Volumenmangelschocks, Diagnosesicherung und Therapie durch Laparoskopie bei schwerem Krankheitsverlauf oder diagnostischer Unsicherheit |
Tuboovarialabszess, Ovarialtorsion, Extrauteringravidität |
Tuboovarialabszess |
Unterbauchschmerz (u. U. schleichender Beginn), Portioschiebeschmerz |
Fieber, Leukozytose, erhöhte Entzündungswerte, pathologische vaginale Flora, nachgewiesene Infektion mit Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis |
intravenöser Zugang und Flüssigkeitssubstitution, operative Abszessspaltung und Drainage (Laparoskopie [Bauchspiegelung]), antibiotische Therapie (z. B. Ampicillin 2 g 4 × tgl. + Clindamycin 1,2 g 2 × tgl. i. v. oder Cefuroxim + Doxycyclin + Metronidazol), wenn keine primär operative Sanierung: klare Definition von konservativen Therapieversagern: kein Abfiebern innerhalb von 72 Stunden oder Vergrößerung des Abszesses unter Therapie |
Ovarialtorsion, Extrauteringravidität, Ovarialzystenruptur |
Extrauteringravidität |
sekundäre Amenorrhö 6–8 Wochen, schwache vaginale Blutung, ggf. akutes Abdomen Tubarabort: wellenförmiger einseitiger Unterbauchschmerz Tubarruptur: stärkster, plötzlicher Unterbauchschmerz |
Schwangerschaftstest positiv, aufgelockerter, für das Schwangerschaftsalter zu kleiner Uterus Sonografie: leeres Cavum, (ringförmige) Raumforderung im Adnexbereich, freie Flüssigkeit im Douglas'schen Raum oder betont einseitig im Adnexbereich |
intravenöser Zugang und Flüssigkeitssubstitution, Stabilisierung der Vitalparameter, Bestimmung von β‐hCG, Blutbild, Gerinnung (Kreuzblut), Laparoskopie (wenn möglich organerhaltendes Vorgehen, bei Rezidiv oder zerstörter Tubenarchitektur und makroskopisch einwandfreier Gegenseite bzw. bei operativer Notwendigkeit → Salpingektomie, alternativ medikamentöse Therapie (Methotrexat) oder Beobachten, Rhesusprophylaxe (falls erforderlich) |
Ovarialtorsion, Tuboovarialabszess, Ovarialzystenruptur |
CTG: Kardiotokografie, HCG: humanes Choriongonadotropin, IUFT: intrauteriner Fruchttod |
Prof. Dr. Alexander Strauss
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe und Michaelis Hebammenschule
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Kiel
Christian-Albrechts-Universität
Arnold-Heller-Straße 3, Gebäude 24
24105 Kiel
Email: astrauss@email.uni-kiel.de