Zahnmedizin up2date 2010; 4(4): 419-433
DOI: 10.1055/s-0030-1250142
Varia

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Zahnärztliche Händehygiene

Lutz Jatzwauk, Bernd Reitemeier
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Publication Date:
26 August 2010 (online)

Einleitung

In der zahnärztlichen Praxis sind die Hände das wichtigste Instrument. Gleichzeitig gelten sie auch als die bedeutendsten Keimüberträger [[1]]. Sie sind ständig mit der physiologischen Hautflora des einzelnen Mitarbeiters besiedelt. Zusätzlich sind sie (mit Ausnahme von reinen Beratungsleistungen) durch Kontakt mit Speichel oder Blut des Patienten vorübergehend auch mit den Mikroorganismen der Mundflora des Patienten sowie in dessen Blut persistierenden Viren kontaminiert. Viren wurden in zahlreichen Studien an den Händen medizinischen Personals nachgewiesen.

Kontamination trotz Händedesinfektion?

Im akuten virämischen Stadium eines HBV‐Carriers können pro Milliliter Blut etwa 5 × 108 infektiöse Einheiten enthalten sein [[2]]. Hepatitis-C-Viren sind im Blut eines infizierten Patienten immerhin noch in Konzentrationen von 104 bis 107 infektiösen Einheiten pro Milliliter nachweisbar [[3]]. Trotz aseptischen Arbeitens und Tragen von Schutzhandschuhen ist eine Kontamination der Hände oft unvermeidbar. So wurde in einer Dialyseeinheit an 24 % der Abstrichproben von den Händen der Mitarbeiter nach Behandlung eines HCV‐positiven Patienten HCV‐RNA nachgewiesen [[4]]. Adenoviren konnten an den Händen medizinischen Personals während eines Ausbruchs von Keratokonjunktivitis epidemica isoliert werden [[5]], Rhinoviren bei fast 65 % des Personals, welches angab, aktuell erkältet zu sein [[6]].

Es ist in der Medizin hinreichend untersucht, dass eine hygienische Händedesinfektion die Übertragung potenziell pathogener Erreger auf den Patienten und auf die Mitarbeiter verhindern kann und damit auch die Entstehung von Infektionen bei Patienten minimiert. Eine Steigerung der Compliance der Händedesinfektion um 10–20 % führte zu einer signifikanten Reduktion von Wundinfektionen, Septikämien, Beatmungspneumonien sowie der Transmission multiresistenter Erreger (Tab. [1]).

Tabelle 1 Zusammenhang zwischen der Händedesinfektion und der Häufigkeit nosokomialer Infektionen bzw. multiresistenter Erreger [7]. Autor Bereich Compliance der Händehygiene NI-/MRE‐Rate pro 1000 Patiententage vor Intervention nach Intervention vor Intervention nach Intervention Pessoa-Silva 2007 Intensivmedizin 42 % 54 % 11 % 8 % Lam 2004 Intensivmedizin 40 % 56 % 11 % 6 % Swoboda 2004 Wachstation 19 % 24 % 9 % 6 % Won 2004 Intensivstation 43 % 80 % 15 % 10 % Pittet 2000 gesamtes Krankenhaus 48 % 66 % 17 % 10 % NI: nosokomiale Infektionen (Krankenhausinfektionen); MRE: multiresistente Erreger

Die Verbesserung der Händehygiene hat daher für die Weltgesundheitsorganisation einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb hat sie in ihrer aktuellen, weltweiten Kampagne „Clean care is safer care“ die Verbreitung von effektiven Maßnahmen zur Händehygiene als eines von fünf vorrangigen Zielen zur Erhöhung der Patientensicherheit genannt. Bis zum September 2008 hatten sich weltweit bereits 114 Länder schriftlich zur Umsetzung verpflichtet. In Deutschland wird seit dem 1. Januar 2008 die „Aktion saubere Hände“ unter der Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführt (Abb. [1]). Ziel ist es, die Händedesinfektion als entscheidenden hygienischen Qualitätsparameter fest in den klinischen Alltag zu integrieren.

Abb. 1 Logo der Aktion „Saubere Hände“.

Elemente der „Aktion saubere Hände“ (www.aktion-sauberehaende.de)

  • klare und einfache Richtlinien zur Händedesinfektion

  • Anwendungsschulungen

  • Bereitstellung von Händedesinfektionsmöglichkeiten an jedem Patientenbett

  • Messung der Verbrauchsmengen an Händedesinfektionsmittel

  • Untersuchungen zur Compliance der Händedesinfektion

In Zahnarztpraxen fehlen bisher derartige fundierte Untersuchungen zur infektionspräventiven Bedeutung der Händehygiene. Es gibt weder Untersuchungsergebnisse zur Compliance der Händedesinfektion, noch ist der durchschnittliche Verbrauch an Händedesinfektionsmittel pro Patientenbehandlung bestimmt worden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann jedoch angenommen werden, dass der Händedesinfektion eine ebenso große Wertigkeit bei der Infektionsverhütung wie in anderen medizinischen Fachdisziplinen zukommt. Deshalb wird die Händehygiene auch in der Zahnmedizin in die höchste Evidence-Kategorie IA eingeordnet [[8], [9]]. Die Definitionen der Maßnahmen zur Händehygiene sind in der blauen Box angegeben.

Merke: In der Zahnarztpraxis kommt der Händehygiene die gleiche Bedeutung zu wie in anderen Fachdisziplinen.

Definitionen der Händehygiene

Händewaschen

  • Maßnahme mit dem Ziel, Schmutz zu entfernen und die transiente Hautflora zu reduzieren

  • Wasser und Flüssigseife

Hygienische Händedesinfektion

  • Maßnahme mit dem Ziel, die transiente Hautflora reproduzierbar zu eliminieren

  • bevorzugt alkoholische Desinfektionslösung

Literatur

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