Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11(2): 45-46
DOI: 10.1055/s-0030-1253117
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Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel ‐ 10-jähriges Bestehen der Palliativstation in der Klinik für Strahlentherapie

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Publication Date:
25 March 2010 (online)

 

10 Jahre, gemessen an der Gesamt-Geschichte der Medizin, mögen wie ein Augenaufschlag anmuten. Im Kontext der etablierten deutschen Palliativmedizin markieren sie indes einen gewichtigen Zeitraum. So ist es auch richtig, dass dieses Jubiläum am 23. Januar im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums stattfand.

Für die Jubilarin, repräsentiert durch das Stationsteam, und allemal für Dr. Hermann Ewald ein nicht zu unterschätzender Kraftakt - war er doch einer der hauptverantwortlichen Organisatoren des erst wenige Monate zurückliegenden Palliativtages 2009 der DGP und des 4. Schleswig-Holsteinischen Hospiz- und Palliativtages. Und wiederum war es ihm gelungen, hochkarätige Referenten zu gewinnen.

Die Staatssekretärin des Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, Frau Dr. Cordelia Andreßen, erinnerte in ihrer launigen und informativen Eröffnungsrede an die Anfänge der universitären palliativmedizinischen Aktivitäten in Kiel, die sie intensiv begleitet hat, und an das hohe Engagement vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insbesondere betonte sie die große Förderung durch den damaligen Direktor der Klinik für Strahlentherapie, Prof. Dr. Dr. Bernhard N. Kimmig, und die damalige Hilfe der Mitarbeiter des Katharinen-Hospiz am Park aus Flensburg.

Den Auftakt der wissenschaftlichen Vorträge machte Prof. Dr. Raymond Voltz, Ordinarius für Palliativmedizin in Köln, mit einem subtilen und differenzierten Plädoyer für Palliativmedizin als eigenständige Disziplin an den Medizinischen Fakultäten, um Versorgung, Forschung und Lehre adäquat vertreten zu können. Daran anschließend demonstrierten die Gastgeber eindrucksvoll, wie im kontinuierlichen Austausch des multiprofessionellen Teams der Palliativstation versucht wird, aus der Wahrnehmung der verschiedenen Akteure ein dynamisches, gemeinsames Bild der betreuten und begleiteten Menschen und ihrer nahen Bezugspersonen aufzubauen. So sollen die übergeordneten Ziele der Betroffenen durch eine engmaschige Abstimmung der Behandlungsziele der einzelnen Professionen so gut wie möglich umgesetzt werden.

Aus radioonkologischer Sicht stellte Dr. Hermann Ewald dar, dass die Schmerzbestrahlung von Skelettmetastasen bei palliativmedizinischen Patienten mit begrenzter Lebenserwartung mit hohen Einzeldosen und wenigen Fraktionen möglich sei, so dass die Belastung bei gleicher Effektivität zusätzlich vermindert werden könne.

Der Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein wurde durch Prof. Dr. Dirk Rades aus der Klinik für Strahlentherapie vertreten. Sein Vortrag vermittelte die Erkenntnis, dass die Prognosen von Tumorpatienten mit spinaler Kompression oder Hirnmetastasen anhand von Scores gut differenzierbar seien. Durch eine entsprechende Auswahl von Feldern, Fraktionierung und die Gesamtdosis einer Strahlentherapie könne auch in palliativmedizinischen Situationen eine optimale Nutzen-Risiko-Relation erreicht werden.

Das Team der Palliativstation, von links nach rechts: E. Fre-Haack (Sozialdienst des Tumorzentrums Kiel), M. Wilde (Seelsorger), A. von Petersdorf (Kunsttherapie), B. Haase (Diplompsychologe), S. Herz (Physiotherapie), M. Wollmann (Pflegerische Stationsleitung), Dr. H. Ewald (Oberarzt) (Quelle: M. Ewald).

Dr. Jan Schildmann (M.A.) aus dem Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum betonte die Fertigkeit guter Wahrnehmung und Kommunikation als eine Kernkompetenz im Rahmen der palliativmedizinischen Entscheidungsfindung, die trainierbar sei.

Dr. Birgitt van Oorschot aus dem Interdisziplinären Zentrum Palliativmedizin des Universitätsklinikums Würzburg ging anhand von Behandlungskonzepten mit Fallbeispielen der Frage nach, wo Palliativmedizin beginne. Eine ihrer Kernaussagen war, dass auf Palliativstationen bei unübersichtlichen medizinischen Situationen, die im Routinebetrieb eines Krankenhauses nicht aufgelöst werden können, Therapieziele durch Mitarbeiter, die über ein besonderes Training im Umgang mit hoch komplexen medizinischen und psychosozialen Situationen verfügen, überprüft und neu definiert werden können. Dr. Wolfgang Schulze aus der Klinik für Strahlentherapie am Klinikum Bayreuth zeigte anhand von Fallbeispielen, wie Strahlentherapie in der Palliativmedizin bei einer großen Zahl von Beschwerden als Maßnahme zur Symptomlinderung eingesetzt werden kann, und, dass es möglich ist, die Belastung für die betroffenen Patienten durch eine individualisierte Bestrahlungstechnik gering zu halten.

Über Erfahrungen mit Partikeltherapie berichtete schließlich PD Dr. Stephanie E. Combs aus der Abteilung Radioonkologie und Strahlentherapie im Universitätsklinikum Heidelberg. Dieser spannende Einblick am Ende des hoch informativen Tages bedeutete zugleich einen Ausblick, zeigte er doch, wie der spezifische Einsatz der Ionen-Therapie weiterer wissenschaftlicher Bewertung und kontinuierlicher technischer Optimierung bedarf.

Fazit 6-stündiger festlicher Freuden: Radioonkologie ist unverzichtbarer Standard palliativer Interventionen, und, im Catoschen Sinne mit "ceterum censeo" formuliert, brauchen Medizinische Fakultäten eine eigenständige Palliativmedizin.

Manfred Gaspar, St. Peter-Ording