ergopraxis 2009; 02(9): 14
DOI: 10.1055/s-0030-1253229
wissenschaft

Obdachlosigkeit – Bedeutungsvolle Aktivitäten sind wichtig

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Publication Date:
26 April 2010 (online)

 

Obdachlose Menschen geben ihrer Umgebung und ihrem täglichen Leben trotz eingeschränkter Möglichkeiten eine Bedeutung. Zu diesem Ergebnis kamen die Ergotherapeutin Tracey Faulkner und ihr Forscherteam aus verschiedenen Einrichtungen in Alberta, Kanada.

Die Forscher befragten acht obdachlose Männer zu deren Erfahrungen mit alltäglichen Aktivitäten. Dazu führten sie Einzelinterviews nach einer biografischen und interpretativen Methode durch. Im Anschluss daran bekam jeder Teilnehmer eine Kamera, mit der er Szenen eines typischen Tages fotografieren sollte. Die Männer wählten schließlich die für sie wichtigsten acht Fotos aus und kommentierten diese. Die Auswertung der Interviews und Fotos ergab, dass die Männer am Verlust von Rollen und Routinen wie Kochen oder Fernsehen litten. Das Leben auf der Straße ist chaotisch und erfordert bestimmte Fähigkeiten, um mit Stress und mangelnder Privatsphäre umgehen zu können. Trotzdem haben viele Freude daran, anderen zu helfen und Dinge zu teilen. Einige gaben zu, einsam zu sein. Die Hälfte der Teilnehmer wollte weg von der Straße, unternahm aber nichts in diese Richtung.

Nach Meinung der Forscher ist es eine Herausforderung für Ergotherapeuten, innerhalb der Grenzen eines Obdachlosenheims die Menschen dabei zu unterstützen, bedeutungsvolle Betätigungen auszuführen und neue Rollen und Routinen zu finden. Die Ergebnisse ihrer Studie haben gezeigt, dass obdachlose Menschen bedeutungsvolle Aktivitäten brauchen.

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Kommentar

Ohne Frage widmen sich Faulkner und ihre Kollegen da einem spannenden Thema! Mit dem Einsatz von Fotobüchern, in denen Obdachlose selbst Augenblicke ihres Alltags festhalten, nutzen sie eine Methode, die direkt in das Leben einer Randgruppe eindringt. Dabei sind die Ergebnisse der Studie nicht überraschend – gehen doch verschiedenste ergotherapeutische Modelle von der Wichtigkeit bedeutsamer Aktivitäten für alle Menschen aus. Es bleibt fraglich, welche Bedeutung die Ergebnisse für die Profession in Deutschland haben, wo Ergotherapie mit obdachlosen Menschen bislang nur vereinzelt zu finden ist.

Daniela Wolter, Ergotherapeutin BSc.

BJOT 2009; 72: 116–124

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