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DOI: 10.1055/s-0030-1253754
Klinische Charakteristika schwerer Sulfonylharnstoff-Hypoglykämien
Fragestellung: Nicht zuletzt aufgrund ihrer geringen Kosten (17 Cent für Daily Defined Dosis Glimepirid 2mg) besitzen Sulfonylharnstoffe (SH) in Deutschland unverändert einen hohen Stellenwert in der Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM). Schwere Hypoglykämien sind nicht nur die häufigsten SH-Nebenwirkungen, sondern stellen bei Typ-2-Diabetikern generell einen starken Prädiktor der kardiovaskulären und jedweden Mortalität dar. Ziel unserer Studie war die klinische Charakterisierung von Patienten mit schweren SH-Hypoglykämien.
Methodik: Im Einzugsbereich einer Klinik der Maximalversorgung wurden im Zeitraum 2000–2009 populationsbasiert alle schweren SH-Hypoglykämien – definiert durch die Notwendigkeit der i.v.-Glukosegabe – erfasst.
Ergebnisse: Die 93 hypoglykämischen Patienten (51 Frauen, 42Männer; initiale Blutglukose 32±11mg/dl) hatten in 74% Glimepirid, in 25% Glibenclamid und in 1% Gliquidon erhalten. Sie wiesen folgende Charakteristika auf: Alter 77,3±9,4 Jahre; BMI 26,8±5,5kg/m2; Kreatinin-Clearance 45±22ml/min. mit Niereninsuffizienz in 78,5% aller Fälle; Komedikation 7±3 Präparate, davon in 22% Substanzen, die mind. z.T. – wie auch SH – hepatisch über CYP2C9 metabolisiert werden. 2/3 der Patienten lebte selbständig zu Hause, 1/3 wurde war ambulant pflegebedürftig bzw. lebte in einem Heim. 28% hatten an keinerlei Diabetesschulung teilgenommen. Der bei stationärer Aufnahme niedrige HBA1c-Wert von durchschnittlich 6,6%±1,2% (Referenz <6,5%) impliziert bei einer Vielzahl der erfassten Diabetiker rekurrente, von Patienten bzw. Angehörigen/Pflegepersonal nicht registrierte Hypoglykämien. In nur 35% erfolgten systematische Blutglukosekontrollen häuslich oder in der Pflegeeinrichtung.
Schlussfolgerungen: In der untersuchten Population wurden SH zu unkritisch und unter Missachtung gravierender Kontraindikationen verordnet. Patienten mit schweren SH-Hypoglykämien waren alt, multimorbide und mit potentiellem Interaktionsrisiko umfangreich komediziert. Die Behandlung geriatrischer Patienten mit T2DM erfordert neue therapeutische Konzepte mit geringerem Hypoglykämie-Risiko.