PPH 2010; 16(3): 118-120
DOI: 10.1055/s-0030-1254507
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Kostentrennung als wichtiger Faktor bei der Entwicklung des neuen deutschen Entgeltsystems in der Psychiatrie

Michael Löhr, Dorothea Sauter, Rainer Kleßmann
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Publication Date:
28 May 2010 (online)

Die neuen Entgelte in der Psychiatrie werden durch sogenannte Kalkulationskrankenhäuser ermittelt. Für die ersten Kalkulationsversuche hat das InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) ein Prä-Test-Kalkulationshandbuch entwickelt [[1]]. Dieser Test wird in sogenannten Prä-Test-Krankenhäusern durchgeführt, bevor die Kalkulationen in den Kalkulationshäusern beginnen können. Das Prä-Test-Kalkulationshandbuch ist in einigen Kapiteln mit dem Kalkulationshandbuch der somatischen DRGs identisch [[2]]. Bevor kalkuliert werden kann, braucht man Kriterien zur Kostentrennung. Folgende Kriterien werden zur Kostentrennung genutzt: Pseudo-OPS (PsychPV-Klassifikationen A 1 – G 6 bzw. KJ 1 – KJ 7) [[3]], psychiatrische OPS (vier sogenannte „Komplexkodes”, die ab dem 1. Juli 2010 codiert werden müssen und auch zur Kostentrennung dienen), ICD-Diagnosen, somatische OPS-Ziffern, die Verweildauer, das Alter, etc. Alle kodierten Daten werden vom InEK ausgewertet und im weiteren Verlauf dann in entsprechende Entgelte („Preise”, „Vergütungen”) gewandelt. Dies geschieht, indem das InEK anhand der gelieferten Daten Merkmale identifiziert, anhand derer definierte kostenhomogene Gruppen geschaffen werden. Das neue Entgeltsystem in der Psychiatrie wird – wie die somatischen DRGs auch – ein selbstlernendes System. Fortlaufend werden eingehende Zahlen analysiert und wenn festgestellt wird, dass an bestimmten Stellen eine „Kostentrennung” identifiziert werden kann, werden die Merkmale zur Kalkulation der Entgelte herangezogen. Dieses Vorgehen ist international in somatischen Bereichen üblich, denn jedes Abrechnungsmodell in Krankenhäusern muss sich fortlaufend an sich ändernde Gegebenheiten anpassen. Die zurzeit zur Verfügung stehenden OPS-Ziffern in der Psychiatrie und Somatik werden also fortlaufend durch weitere oder geänderte Codes abgelöst oder ergänzt, die durch die Fachgesellschaften beantragt werden.

Der Gesetzgeber hat im § 17d Abs 1 KHG das neue Entgeltsystem für die Psychiatrien als durchgängiges, leistungsorientiertes, pauschaliertes Entgeltsystem auf der Grundlage von tagesbezogenen Entgelten definiert. Dies unterscheidet es von der Entgelt-Definition der somatischen Häuser und Abteilungen, deren Entgelte zwar auch durchgängig, leistungsorientiert und pauschaliert sind, aber nicht tagesbezogen [[4]]. Die somatischen Entgelte werden über das G-DRG-System abgerechnet, hier sind es v.a. ärztliche (ICD-) Diagnosen und im OPS definierte Prozeduren, die codiert und anschließend über einen Grouper in eine abrechenbare DRG (Preis pro Fall multipliziert mit dem Fallgewicht) gewandelt werden. Die Bedeutung dieses feinen Unterschiedes wird im Folgenden kurz skizziert.

Bei der Einführung der G-DRGs im somatischen Kontext wurde und wird die Kostentrennung und damit die Preisbildung auf den kompletten Fall bezogen ([Abb. 1] – „Kostenverlauf Somatik”). Bei der Kalkulation der Entgelte in der Psychiatrie wird die Kostentrennung tagesgenau abgebildet ([Abb. 1] – „Kostenverlauf Psychiatrie”). Ziel ist es, wie in der Somatik, zu einer bundeseinheitlichen Definition der Entgelte und Relativgewichte zu kommen. Für den Auftakt wurden für die Psychiatrie von den Fachgesellschaften einige Komplexkodes (OPS 9/60 bis 9/64) gebildet. Diese Komplexkodes sollen – neben den ICD-Diagnosen – Patientengruppen identifizieren, die aufgrund eines unterschiedlichen Ressourcenverbrauches ([Abb. 1] – „Kostengruppen”) verschieden hohe Kosten verursachen und sich deshalb im Rahmen des Kalkulationsprozesses als kostentrennend erweisen. Es bleiben jedoch noch einige Fragen offen. Wenn tagesspezifische, patientenbezogene Kosten identifiziert sind, stellt sich die Frage, inwieweit diese prozentual zuzuordnen sind. Weiter ist unklar, in welcher Größenordnung tagesbezogene Kosten über gemittelte Verteilungsschlüssel definiert werden und welche Verteilungsverfahren angewandt werden.

Bei der Entwicklung des neuen Entgeltsystems in der Psychiatrie wird es von enormer Bedeutung sein, Transparenz in der Leistungserstellung der Berufsgruppen und im Besonderen der Pflege zu schaffen ([Abb. 1] – „Leistungs- und Kostentransparenz Pflege”). Kostentrennung steht auch für Kosten- und Leistungstransparenz. Nur wenn Leistungen benannt, bewertet und durchgeführt sind, können sie auch entgeltet werden. Bei allen Schwierigkeiten, für die psychiatrische Pflege diese Transparenz herzustellen [[5]], [[6]], bedarf es guter Gründe, dies nicht zu tun. Durch die Erfahrung der G-DRG Einführung wissen wir, dass eine erhöhte Kostentransparenz auch zu einer Erhöhung der Leistungstransparenz gegenüber den Kostenträgern führt. Dies kann zu einer erhöhten Kontrolle der Leistungsinhalte führen. Darunter fallen beispielsweise das verstärkte Prüfen von möglichen Fehlbelegungen, das Einhalten von Mindeststandards im Rahmen von OPS-Komplexkodes. Für die Leistungserbringer bedeutet die erhöhte Leistungstransparenz einen erhöhten Dokumentationsaufwand. Dieser hat nun zukünftig erhebliche finanzielle Konsequenzen, wenn sich in der Dokumentation nicht die tatsächlichen Leistungen widerspiegeln. Mit dem Blick auf die Entwicklungen und den heutigen Stand der somatischen Disziplinen bedarf es einer eindeutigen Definition von Pflegeleistungen, um mögliche Verschiebungsspielräume klein zu halten. Solche abrechenbare Pflegeleistungen zu benennen ist Aufgabe der Fachverbände in Zusammenarbeit mit der Pflegewissenschaft. Wenn Pflegeleistungen als eigene Codes oder als festes Gewicht in Komplexkodes im OPS aufgenommen werden sollen, dann muss nachgewiesen werden, dass diese Leistung nötig ist (z.B. aufgrund einer Pflegediagnose), erbracht wurde (Leistungsnachweis) und wirksam ist (z.B. Feststellung einer Zustandsveränderung). Im Rahmen eines selbstlernenden Systems wird dies ein fortlaufender Prozess sein, doch sollte bald damit angefangen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Frage offen, wie stark die psychiatrische Pflege sich in den aktuellen Prozess einbringen kann [[6]].

Abb. 1

Nicht nur die Berufsgruppe der psychiatrischen Pflege unterliegt der Gefahr der Überforderung. Auch ein Großteil der psychiatrischen Kliniken ist noch nicht ausreichend vorbereitet. Der Geschäftsführer des InEK, Dr. Frank Heimig, hat in einem Interview dargestellt, dass nur ca. 15 % der Kliniken ihre Hausaufgaben gemacht haben und der überwiegende Teil nicht vorbereitet sei [[7]]. Aktuell hat die DKG und die GKV eine unterjährige Revision des OPS-Kataloges beantragt. Konkret handelt es sich um zwei relevante Punkte:

Die Kodierung des therapeutischen Aufwands sollte unabhängig von der Kodierung des Komplex-Kodes erfolgen; Bei der Kodierung des therapeutischen Aufwandes sollen die Berufsgruppen (Ärzte, Psychologen, Spezialtherapeuten und Pflegekräfte) zu je einer Gruppe zusammen gefasst werden [8].

Ein Vorteil einer solchen Veränderung hätte die reduzierte Dokumentationsanforderung bezüglich der Dokumentationsmenge sein können. Der Nachteil, aus Sicht der Autoren, hätte sich in einer mangelnde Kostentrennung gezeigt. Gerade im Bereich der psychiatrischen Pflege ist die Gefahr groß, in einem nicht differenzierten System, die erbrachten Leistungen nicht kostenäquivalent abgebildet zu bekommen.

Literatur

Michael Löhr
Dorothea Sauter
Rainer Kleßmann

LWL-Klinik Gütersloh

Hermann-Simon-Str. 7

33334 Gütersloh

Email: m.loehr@wkp-lwl.org

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