Pädiatrie up2date 2010; 5(3): 231-257
DOI: 10.1055/s-0030-1255666
Varia

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schielen

Susanne  Pitz, Heike  Elflein
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Publication Date:
27 September 2010 (online)

Einleitung

In diesem Fortbildungsbeitrag haben wir versucht, für den Kinderarzt wichtiges Grundwissen zum Thema Schielen zusammenzutragen. Da sich mit dieser Thematik zwanglos umfangreiche Lehrbücher füllen lassen, stellt die hier vorgestellte Auswahl lediglich einen Ausschnitt dar, der zudem durch unsere Ausbildung und klinische Praxis gefärbt ist. Wir hoffen aber, Ihnen mit dieser Zusammenstellung Informationen an die Hand zu geben, die in Ihrer täglichen Praxis helfen, das Harmlose vom diagnostisch und therapeutisch Relevanten leichter zu unterscheiden.

Begriffe

Dem großen Historiker in der Augenheilkunde Alfred Hirschberg zufolge, hat der Begriff Strabismus eine griechische Wurzel, („streblos” bedeutet „verbogen, verdreht”) und wurde direkt ins Lateinische übertragen. Die eigentlichen lateinischen Begriffe „paetus” bzw. „luscus” haben sich nicht durchgesetzt, lediglich im Französischen findet sich noch ein Anklang: „loucher” bedeutet hier „schielen”.

Was ist Schielen?

Diese Frage mag auf den ersten Blick banal erscheinen. Wenn Sie die Abb. [1] und [2] betrachten, dann scheint der Befund eines Außen- oder Innenschielens so offensichtlich, dass sich die Frage scheinbar verbietet. Natürlich ist die Wahrheit deutlich komplexer. Um zu „beweisen”, dass in Abb. [3] tatsächlich ein Innenschielen des rechten Auges vorliegt, ist ein elementarer, einfacher klinischer Test erforderlich. Zunächst muss der Untersucher eine Hypothese bilden: Welches Auge schielt, welches fixiert? Der Untersucher fordert dann den Patienten auf, ein geeignetes Objekt zu fixieren, bei Kindern wird das ein für dieses Alter interessanter Gegenstand sein. Dann deckt man das fixierende Auge mit der flachen Hand oder einer Abdeckscheibe ab. Wenn die Hypothese „Rechtes Auge schielt nach innen” zutreffend war, dann macht dieses Auge eine Bewegung, um die Fixation aufzunehmen, die sog. Einstellbewegung. Damit kann der Abdecktest innerhalb von Sekunden Schielen von „Scheinschielen” differenzieren (Abb. [4]). Scheinschielen ist insbesondere bei Kindern wegen des breiten Nasenrückens, der ein Innenschielen vortäuscht, häufig, andere klinische Situationen betreffen eine anatomisch ungewöhnliche Lage der Fovea centralis am hinteren Augenpol.

Merke: Der Abdecktest kann Schielen vom Scheinschielen differenzieren.

Damit ist eine brauchbare und für das Gros der klinischen Situationen zutreffende Definition für Schielen gegeben: Beide Augen sind nicht auf ein gemeinsames Fixationsobjekt ausgerichtet. Die oben dargestellten Beispiele werden je nach Richtung der Abweichung als Strabismus convergens bzw. divergens bezeichnet. Auch Vertikalschielstellungen kommen vor, sind allerdings wesentlich seltener. Alternativ kann ein Innenschielen als Esotropie, eine Außenschielen als Exotropie bezeichnet werden, Vertikalschielstellungen entsprechend als Hypo- bzw. Hypertropie.

Diese Termini erlauben aber keine Rückschlüsse auf eine mögliche Ursache. Deshalb ist es üblich, das sog. Begleitschielen (Strabismus concomitans) vom paralytischen Schielen (Strabismus paralyticus) zu unterscheiden (Tab. [1]).

Abb. 1 Innenschielen (Esotropie; syn: Strabismus convergens) des linken Auges. Abbildung aus: Lang G. Augenheilkunde. 4. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2008. Abb. 2 Außenschielen (Exotropie; syn: Strabismus divergens) des linken Auges. Abbildung aus: Burk A, Burk R. Augenheilkunde. 3. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005. Abb. 3 Abdecktest zur Diagnose einer manifesten Schielstellung; hier exemplarisch bei Innenschielen links. Beim Abdecken des bis dahin fixierenden rechten Auges nimmt das linke Auge die Fixation auf. Unter der Abdeckscheibe geht währenddessen das rechte Auge in Innenschielstellung. Abbildung aus: Burk A, Burk R. Augenheilkunde. 3. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005. Abb. 4 Pseudostrabismus – scheinbares Innenschielen rechts. Durch den breiten Nasenrücken ist rechts weniger Sklera nasal der Hornhaut sichtbar. Bei Betrachtung der Hornhautreflexbilder der Untersuchungslampe zeigt sich aber, dass die Augenstellung parallel ist. Abbildung aus: Lang G. Augenheilkunde. 4. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2008. Tabelle 1 Einteilung des Strabismus. Strabismus latent (Heterophorie) manifest (Heterotropie) Begleitschielen Lähmungsschielen

Literatur

  • 1 Stangler-Zuschrott E, Müller R. Augendarstellung und Blickrichtung in der bildenden Kunst.  ophtha. 2005;  5
  • 2 Fronius M, Bachert I, Lüchtenberg M. Electronic monitoring of occlusion treatment for amblyopia in patients aged 7 to 16 years.  Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2009;  247 1401-1408
  • 3 Pediatric Eye Disease Investigator Group . Randomized trial of treatment of amblyopia in children aged 7 to 17 years.  Arch Ophthalmol. 2005;  123 437-447
  • 4 Pediatric Eye Disease Investigator Group . A randomized trail to evaluate two hours of daily patching for amblyopia in children.  Ophthalmology. 2006;  113 904-912
  • 5 Pediatric Eye Disease Investigator Group . A randomized trial of atropine vs patching for treatment of moderate amblyopia in children.  Arch Ophthalmol. 2002;  120 268-278
  • 6 Bixenman W W, Noorden G K von. Benign recurrent VI nerve palsy in childhood.  J Pediatr Ophthalmol Strabismus. 1981;  18 29-34

Prof. Dr. med. Susanne Pitz

Funktionsbereich Kinder- und Neuroophthalmologie, Strabologie der Augenklinik
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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55131 Mainz

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