Pneumologie 2011; 65(8): 471-476
DOI: 10.1055/s-0030-1256286
Fallbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fallbericht zu einer seltenen Berufskrankheit: Eine zu Lebzeiten nicht anerkannte Talkose

Case Report of a Rare Occupational Disease: A During Life Non-Recognised Occupational Disease – TalcosisV.  Neumann1 [*] , F.  Schulz2 [*] , A.  Theile3 , S.  Löseke1 , K.  Püschel2 , A.  Tannapfel1,3
  • 1Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil (Direktorin: Professor Dr. med. Andrea Tannapfel)
  • 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg (Direktor: Professor Dr. med. Klaus Püschel)
  • 3Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil. (Direktorin: Professor Dr. med. Andrea Tannapfel)
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Publication History

eingereicht 5. 2. 2011

akzeptiert nach Revision 18. 2. 2011

Publication Date:
16 March 2011 (online)

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Zusammenfassung

Talk ist ein hydratisiertes Magnesiumsilikat, das in der chemischen, kosmetischen, Leder-, Papier- und Bauindustrie Verwendung findet. Eine interstitielle Lungenerkrankung – Talkose –, die auf eine reine Talkumexposition zurückgeht, ist eine seltene Pneumokoniose. Häufiger finden sich Lungenerkrankungen durch die intravenöse Gabe von Talk infolge eines Drogenmissbrauchs. Auch kann Talkum mit Asbest oder Quarz verunreinigt sein und es treten Asbest- oder quarzbedingte interstitielle Lungenerkrankungen auf. Wir stellen hiermit einen Fall über einen Arbeiter vor, der bei der Reifenherstellung beruflich gegenüber Talkum exponiert war. Zu Lebzeiten war eine Berufskrankheit nicht anerkannt. Bei dem Verstorbenen wurde erst auf dem Weg zur Einäscherung durch den Rechtsmediziner (in amtsärztlicher Funktion) im Rahmen der zweiten Leichenschau der Verdacht auf eine Berufskrankheit geäußert und eine Obduktion veranlasst. Im Rahmen der Obduktion konnte eine fortgeschrittene Lungenfibrose mit teils wabenartigem Lungenumbau nachgewiesen werden. Es fanden sich massenhaft eingelagerte kristalline, unter polarisiertem Licht stark doppelbrechende Partikel. Licht- und elektronenmikroskopisch fanden sich keine Hinweise auf eine erhöhte pulmonale Asbestbelastung oder eine Silikose. Die Analysen konnten Fasern und Partikel mit der Zusammensetzung von Magnesium und Silizium nachweisen und diese eindeutig als Talkum klassifizieren. Basierend auf den pathologisch-anatomischen Untersuchungen, den Ergebnissen der mineralogischen Untersuchungen, der nachgewiesenen beruflichen Talkumexposition und dem Ausschluss anderer Ursachen für die Induktion der Lungenfibrose konnte die Diagnose einer durch Talkum bedingten interstitiellen Lungenerkrankung gestellt werden. Dieser Fall zeigt deutlich die Relevanz von pathologisch-anatomischen Untersuchungen und der Lungenstaubanalytik, um eine berufliche Exposition als Ursache für die Entwicklung einer interstitiellen Lungenerkrankung nachzuweisen.

Abstract

Talc is a hydrated magnesium silicate used in the chemical, ceramic, cosmetic, leather, paper and building industries. Interstitial lung disease – talcosis – due to exclusive talc inhalation is a rare form of pneumoconiosis. More often, pulmonary disease due to talc is encountered after intravenous administration of talc during drug abuse. Talc can contain asbestos or quartz particles which induce asbestosis or silicosis. Here we present a case report about a worker who was exposed to talcum during his work in tyre manufacturing. During his lifetime an occupational disease was not recognised. The deceased had been forwarded to cremation; the legally prescribed second inspection of the corpse induced the suspicion of an occupational disease and an autopsy was ordered. The autopsy revealed a lung fibrosis with honeycomb lung alterations and under polarised light a massive burden with birefringed crystalline particles could be visualised. Light and electron microscopic lung dust analyses could exclude an elevated asbestos lung burden. The element analysis of foreign body material in lung tissue confirmed its chemical composition of magnesium and silicon which was consistent with talc. Based on the pathological and mineralogical findings, the confirmed occupational exposure towards talc and, due to the exclusion of other possible causes (asbestos, quartz), the diagnose of a talc-induced interstitial lung fibrosis – talcosis – was established. This case emphasises the importance of pathological-anatomic examinations in combination with lung dust analysis to reveal occupational exposure as a cause of an interstitial lung disease.

Literatur

1 Herr Dr. Schulz und Herr Neumann haben in den gleichen Maßen zu dem Manuskript beigetragen.

Diplom-Biologe Volker Neumann

Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum

Email: Volker.Neumann@ruhr-uni-bochum.de