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DOI: 10.1055/s-0030-1257509
Wege zum „gescheiten” Arzt
Publication History
Publication Date:
14 June 2010 (online)
Wie werde ich ein guter Arzt? Wirklich gewissenhafte Mediziner (also fast alle) treibt diese Frage um – von dem Moment an, wenn sie sich für diesen Beruf entscheiden, bis zu der Stunde, wenn sie im hohen Alter zum letzten Mal in den Spiegel schauen. Viele Studienanfänger geben sich eine Antwort, die ihrer hohen Motivationslage entspricht: Pauken, Büffeln, Lernen. Wer sich im Studium anstrengt, wird ein guter Arzt. Punkt. Das ist ein schöner Plan! Doch leider führt er auf den Holzweg. Ein Problem ist, dass das Studium nicht das leistet, was es verspricht. Forscher der Uni Erlangen-Nürnberg haben in einer Studie mit 593 jungen Ärzten untersucht, wie gut sich diese durch ihr Studium auf die Klinik vorbereitet fühlen [1]. Ernüchterndes Ergebnis: 65% der Befragten gaben an, sie seien für ihren Beruf nur mangelhaft ausgebildet. Dabei kann man davon ausgehen, dass das Gros von ihnen – wie die meisten Mediziner – durchaus fleißige Lerner waren.
Ergo: Allein auf das Studium kann man sich nicht verlassen, wenn man ein guter Arzt werden möchte. Aber wie erreicht man dann dieses hohe Ziel? Noch mehr büffeln? Freiwillige Praktika machen? In unserem Titelthema „Fach für Knobler und Denker” auf sagt ein Neurologe sinngemäß, dass er es für schlicht unmöglich halte, in seinem Fach in allen Bereichen top zu sein – dazu sei es einfach zu groß. Das gilt erst recht für die gesamte Medizin! Sprich: Man kann noch so viel Wissen anhäufen. An irgendeinem Punkt kommt selbst das aufnahmebereiteste Gehirn an seine Grenzen. Und auch wenn bei der Studie aus Franken 100% aller Teilnehmer angegeben hätten, dass sie sich hervorragend auf ihren Beruf vorbereitet fühlen – wäre das eine Gewähr dafür, dass alle gute Mediziner werden? Die Wahrheit ist: Man kann alles wissen und können – und trotzdem nur ein sehr mittelmäßiger Arzt sein.
Was kann man also tun, um ein „gescheiter” Arzt zu werden? In dieser Via medici lesen Sie auf ein Interview mit Dr. Margarete Mitscherlich. Diese „Grande Dame” der Psychoanalyse hat Medizin studiert, als deutsche Ärzte im Namen wirrer Lehren grausige Verbrechen verübten, und nach dem Krieg dafür gestritten, dass die Medizin aus diesen Gräueln ihre Lehren zieht. Gefragt, woraus sie ihre Energie für ihr langes Ärzteleben geschöpft hat, antwortet sie: „Aus dem Interesse am Menschen und an mir selbst, denn das macht das Leben zu etwas, das Spaß macht.” Damit bringt sie auf den Punkt, worauf es ankommt. Lassen Sie sich von dem Berg an medizinischem Wissen, all den Klassifikationen, Diagnosewegen und Therapiekonzepten, nie den Blick auf das Wesentliche dahinter verstellen. Das sind zum einen Ihre Patienten – und zum anderen Sie selbst! Ein wirklich „gescheiter” Arzt werden Sie nur dann, wenn Ihnen Ihr Beruf Spaß macht. Daran können Sie schon im Studium arbeiten …
Viel Freude mit dieser Via medici wünscht Ihnen
Ihr
[1] Ochsmann et al. Berufseinstieg bereitet vielen Absolventen Probleme. Deutsches Ärzteblatt 2010; 14: C562–C563
Dr. med. Dieter Schmid, Redaktionsleitung