Klin Padiatr 2010; 222 - DGPI_PO_41
DOI: 10.1055/s-0030-1261457

Durchimpfungsrate und Akzeptanz der Varizellenimpfung bei Kindern im Münchner Raum nach Einführung der generellen Impfempfehlung

A Streng 1, K Seeger 1, V Grote 2, J Liese 1
  • 1Pädiatrische Infektiologie und Immunologie, Universitätskinderklinik, Würzburg
  • 2Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München, München

Hintergrund : Als erstes Land in Europa führte Deutschland im Jahr 2004 eine generelle Varizellenimpfung für Kinder ein, mit einer Impfdosis im Alter von 11–14 Monaten. Während der Jahre 2006 bis 2008 ermittelten wir im Münchner Raum die erreichten Durchimpfungsraten, sowie mit der Akzeptanz der Impfung assoziierte Faktoren. Methode: Bei jährlichen Zufallsstichproben (n=600) von Kindern im Alter von 18–36 Monaten wurden der Impfstatus, sozio-demographische Faktoren, sowie die Empfehlung des Kinderarztes bezüglich der Varizellenimpfung mittels Elternfragebögen in Stadt und Landkreis München während der Jahre 2006, 2007 und 2008 erhoben. Ergebnis: Eltern von 372 (62%), 364 (61%) und 352 (59%) Kindern beantworteten die Fragebögen. Die Varizellen-Durchimpfungsrate stieg von 38% im Jahr 2006 auf 51% in 2007 und 53% in 2008 an. Damit lag die Durchimpfungsrate für Varizellen deutlich unter der zum Vergleich erhobenen Maserndurchimpfungsrate von 87% (2006) bzw. 89% (2007 und 2008). Das mediane Alter bei Impfung sank von 15 Monaten in 2006 auf 12 Monate in 2008. Jeweils ein Drittel der Eltern von bisher ungeimpften, empfänglichen Kindern waren noch unentschlossen, ob sie ihr Kind impfen lassen sollten. Die Empfehlung durch den Kinderarzt war als wichtigster erklärender Faktor in allen 3 Erhebungen signifikant mit der Elternakzeptanz assoziiert (adjustierte Odds Ratios zwischen 13 und 30, alle p<0,01). Kinderärzte empfahlen zunehmend (von 48% auf 60%) die Varizellenimpfung; allerdings standen noch im Jahr 2008 40% der Kinderärzte der Impfung zurückhaltend gegenüber. Aufgrund der spezifischen Regelungen für die Kostenerstattung in Bayern wurden in den Jahren 2006 bis 2008 vorwiegend monovalente Varizellenimpfstoffe eingesetzt. Der im Jahr 2006 zugelassene, zunächst nicht erstattete MMR-V Kombinationsimpfstoff erreichte bis 2008 einen Anteil von 29% der geimpften Kinder. Diskussion: Nach anfänglichem Anstieg auf 51% bis zum Jahr 2007 stagnierte die Durchimpfungsrate bei 53% in 2008, dem 4. Jahr der Varizellen-Routineimpfung. Eine stabile Durchimpfungsrate von mindestens 85% (WHO, 1998; Bonanni et al. 2009) sollte bei Varizellen angestrebt werden, um eine Akkumulation empfänglicher Personen mit dem Risiko einer Erkrankung im höheren Alter zu vermeiden. Programme zur Steigerung der Akzeptanz der Varizellenimpfung bei Kinderärzten und Eltern sind daher dringend notwendig.