Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11(5): 210-212
DOI: 10.1055/s-0030-1265765
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Methodik – Symptom-Cluster: wissenschaftlich belegbar oder zufällig?

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Publication Date:
03 September 2010 (online)

 

Beschwerden wie Schmerz und Müdigkeit treten oft gemeinsam auf, aber gehören sie auch zusammen? A. Aktas et al. haben diskutiert, ob solche Symptom-Cluster gerechtfertigte Konzepte darstellen. Pall Med 2010; 24: 373-385

Symptom-Cluster unterscheiden sich von Syndromen dadurch, dass sie nicht per se kennzeichnend für eine spezielle Krankheit oder psychische Störung sind. Ein Cluster ist somit kein diagnostisches Kriterium. Gleichwohl werden überzufällige Koinzidenzen beobachtet, die in unterschiedlichen Bereichen der Medizin gesehen wurden. Der systematische Umgang mit dem Cluster-Phänomen erfolgte zunächst in der Psychiatrie und diente als Basis für eine weitere Klassifizierung und Diagnostik mentaler Störungen. Aus der Allgemeinmedizin führen Aktas et al. zahlreiche Cluster auf und erklären den klinischen Nutzen am Beispiel der Herzinsuffizienz. Drei Symptom-Cluster werden genannt:

Akute Hypervolämie (Kurzatmigkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen) Emotionale Symptome (Depression, Gedächtnisstörungen, Sorgen) Chronische Hypervolämie (Schwellungen, geringe Belastbarkeit, Belastungsdyspnoe)

Sowohl für die Patienten als auch die Ärzte seien diese Cluster wertvolle Hinweise auf eine drohende Kompensation. Bei den onkologischen Clustern, für die ebenfalls verschiedene Beispiele genannt werden, sei das Auftreten desselben Symptoms in mehreren Clustern typisch, wobei die zugrundeliegenden Mechanismen zwischen den Clustern differierten. Die Symptomgruppen könnten somit hinweisend auf pathophysiologische Zusammenhänge sein. Das Cluster "Anorexie-Müdigkeit-Schlafstörung" sei z.B. wahrscheinlich mit Störungen der epidermalen Wachstumsfaktoren auf zentraler Ebene verbunden mit konsekutiver Beeinflussung von Schlafverhalten und Nahrungsaufnahme. Die klinische Relevanz der Symptomgruppen wird beim Cluster "Müdigkeit-Schlaflosigkeit-Schmerz" deutlich. Mit einer effektiven Schmerzbehandlung sind ein verbesserter Schlaf und eine Abnahme der Müdigkeit wahrscheinlich.

Statistisch können Symptomgruppen in einer Cluster- oder Faktorenanalyse geprüft und mit Wiederholungsstudien validiert werden. Als Grenzwert für die Zugehörigkeit zu einem Cluster wird ein Korrelationskoeffizient von mindestens r > 0,5 genannt. Nicht alle Cluster halten dieser Prüfung stand, wie die klinische Koinzidenz "Depression-Müdigkeit-Schmerz" (DFP). Während eine Untersuchung mit 451 chemotherapierten Tumorpatienten hohe Korrelationen zwischen den Symptomen gezeigt habe, hätte sich die Zugehörigkeit zu einem Cluster in anderen Studien nicht bestätigt. Die Ergebnisse seien ein Hinweis auf die komplexe Ätiologie der zugrunde liegenden Krankheiten und Patientencharakteristika. Die Autoren bezeichnen das DFP-Cluster aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Basis als "klinischen Mythos". Im Unterschied dazu werden andere genannt, die reproduzierbar stabil blieben (Müdigkeit-Schlaflosigkeit-Schmerz, Angst-Depression, Übelkeit-Erbrechen).

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