Hintergrund: Die Erweiterung des Behinderungsverständnisses der WHO zum bio-psychosozialen Modell
der ICF impliziert eine Abkehr vom Defizitmodell hin zur Teilhabe in allen Lebensbereichen.
Mit der Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen (UN) über die Rechte
von Menschen mit Behinderung steht Deutschland seit 2009 vor der Herausforderung dieses
umzusetzen. Das Übereinkommen verfolgt den Empowerment-Ansatz und hat die Wahrnehmung
von Menschen mit Behinderung in ihrer Einzigartigkeit sowie deren Stärkung der Selbstbestimmung
zum Ziel. Maßgeblich ist die Inklusion, die das Konzept einer „Pädagogik der Vielfalt“
und eine Schule für alle anstrebt bei gleichem Recht auf Bildung (Art.24) und Gesundheit
(Art.25). Die explorative Studie verbindet die Perspektiven Inklusion und Gesundheitsförderung.
Ziel ist es, Erfahrungen, Herausforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten von Inklusion
in Grundschulen mit gesundheitsförderlicher Ausrichtung zu ermitteln sowie zu eruieren,
wie eine „gesundheitsfördernde Schule für alle“ etabliert werden kann. Methode: Mittels Leitfadeninterview wurden 16 SchulleiterInnen bzw. LehrerInnen gesundheitsfördernder
Grundschulen befragt, die mit dem Präventionspreis 2009 ausgezeichnet wurden und/oder
am Projekt Gesund Leben Lernen teilnehmen. Das transkribierte qualitative Material
wurde durch kategorienbasierte strukturierende Inhaltsanalyse mithilfe MAXQDA ausgewertet.
Ergebnisse: Bei Kindern mit Behinderung wird dieselbe Notwendigkeit für Gesundheitsförderung
gesehen wie bei Kindern ohne Beeinträchtigung. Erstere müssen zudem spezifische Therapien
und Hilfen erhalten. Die Mehrheit der Befragten berichtet von positiven Erfahrungen
der gemeinsamen Beschulung sowie von der Teilhabe aller an gesundheitsfördernden Programmen.
Sie führt aber auch Grenzen auf. Fast die Hälfte der Befragten kennt das UN-Übereinkommen
nicht. Kinder mit Lernbehinderungen und Verhaltensauffälligkeiten dominieren in den
gesundheitsfördernden Grundschulen gegenüber Kindern mit körperlichen, geistigen oder
anderen Beeinträchtigungen. Als wesentliche Probleme bei der Etablierung von Inklusion
in Grundschulen werden fehlendes Fachwissen, räumliche Barrieren, Personalmangel sowie
negative Einstellungen des Lehrpersonals und der Elternschaft gegenüber gemeinsamer
Beschulung genannt. Vermehrte Information über Behinderung, Sensibilisierung gegenüber
Vorbehalten, Reduktion von Vorurteilen und gesetzliche Verankerung werden als notwendige
Voraussetzungen zur Etablierung von Inklusion gesehen.