Einleitung/Hintergrund: Seit 1974 ist die Vorsorgeuntersuchung (VU) als kostenlose Basisversorgung fixer
Bestandteil des österreichischen Gesundheitssystems. 2005 wurde sie auf Basis aktuell
verfügbarer Evidenz erneuert. Zum Ziel der Qualitätssicherung wurde unter anderem
die standardisierte Dokumentation, die über ein elektronisches Dokumentationsblatt-System
erledigt werden kann, neu eingeführt. 2009 wurden die ÄrztInnen zur elektronischen
Dokumentation verpflichtet. Material/Methoden: Für die österreichweite Befragung (literaturgestütztes Befragungskonzept und Fokusgruppen)
wurde aus der Grundgesamtheit aller Ärzte mit VU-Vertragsverhältnis eine proportional
geschichtete Stichprobe von 500 Ärzten (N=500) generiert, die mittels computerunterstützter
Telefoninterviews befragt wurden. Die Analyse erfolgte mittels SPSS 17.0. Ergebnisse: Für 49% der befragten ÄrztInnen bedeutet die elektronische Dokumentation Mehrarbeit,
48% äußern datenschutzrechtliche Bedenken. Ein Drittel fühlt sich durch die Dokumentation
in ihrer Handlungsautonomie eingeschränkt. Für 45% verbessert und strukturiert die
Dokumentation den Ablauf der VU. 51% meinen, das Dokumentationsblatt bietet eine gute
Möglichkeit, Themen anzusprechen, die in der Alltagsroutine für gewöhnlich nicht behandelt
werden. Das Dokumentationsblatt-System wird von 22% als fehleranfällig und instabil
bewertet, 69% betrachten es als einfach und selbsterklärend. Diskussion/Schlussfolgerung: Die Pflicht zur Dokumentation scheint die Ärzteschaft zu spalten. Einerseits lässt
sich eine prinzipielle Skepsis der Dokumentation gegenüber vermuten: Ärzte sehen in
der Dokumentation eine Bürokratisierung ihrer Tätigkeit und äußern datenschutzrechtliche
Bedenken. Andererseits wird die Dokumentation als Instrument der Qualitätssicherung
der eigenen Routinepraxis gesehen. Die subjektive Folgeneinschätzung bildet einen
wesentlichen Aspekt im Akzeptanzprozess neu eingeführter Objekte oder Praktiken. Dabei
spielen sowohl status- bzw. prestigereiche Zuschreibungen wie Autonomie oder ärztliche
Autorität als auch Praktikabilitätsaspekte oder Datenschutzprobleme eine Rolle. Es
kann vermutet werden, dass eine einfache Bedienbarkeit des Dokumentationsblatt-Systems
und eine gestiegene Anwendung die Akzeptanz der Dokumentation innerhalb der Ärzteschaft
positiv beeinflusst, wenngleich eine prinzipiell skeptische Haltung gegenüber der
Pflicht zur Dokumentation nicht ausgeschlossen werden kann.