Hintergrund: Es ist unbestritten, dass sozioökonomische Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf
Gesundheitszustand und Sterblichkeit einer Bevölkerung haben und dass sowohl Sozialstruktur
als auch Morbidität und Mortalität räumlich unterschiedlich ausgeprägt sind. Welchen
Einfluss der sozioökonomische Status einer Region auf die Gesundheit seiner Bewohner
ausübt, wurde allerdings bisher in Deutschland kaum untersucht. Das Ziel dieser Analyse
besteht darin, einen möglichen kleinräumigen Effekt des Deprivationsgrades einer Region
zu operationalisieren und am Beispiel der Mortalität der bayerischen Bevölkerung zu
demonstrieren. Material und Methoden: Auf der Grundlage von demographischen, sozioökonomischen und umweltrelevanten Variablen
der amtlichen Statistik auf Gemeindeebene bildeten wir erstmalig in Deutschland ein
mehrdimensionales Konstrukt, einen sogenannten „Index Multipler Deprivation“ (IMD)
nach britischem Vorbild. In diesem Konstrukt werden die Indikatoren thematisch in
Dimensionen zusammengefasst. Für jede der gerankten 2.056 Gemeinden und kreisfreien
Städte in Bayern wurden Scores für den Deprivationsstatus der Gemeinde berechnet und
mittels einer GIS-Software visualisiert. Zur Bildung des IMD verwendeten wir die statistischen
Verfahren der Faktorenanalyse und der Exponentialtransformation. Um den Einfluss des
Gemeindestatus auf die Mortalität seiner Bewohner zu evaluieren, errechneten wir die
standardisierte Mortalitätsratio sowohl für die vorzeitige Sterblichkeit (<65 Jahre)
als auch für die Gesamtsterblichkeit und führten anschließend eine Korrelationsanalyse
durch. Ergebnisse: Rund 7% in der Streuung der vorzeitigen Mortalität (r2=0,07) und 4% der Streuung
in der Gesamtmortalität (r2=0,04) erklären sich durch die lineare Abhängigkeit mit
dem Grad der kommunalen Deprivation. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass zwischen
Mortalität und Deprivationsgrad der Gemeinde ein Zusammenhang besteht. Schlussfolgerungen: Mithilfe des Index Multipler Deprivation konnte ein kleinräumiger Einfluss auf die
Sterblichkeit der Bevölkerung gezeigt werden. Der IMD stellt ein valides und flexibles
Instrument zur Operationalisierung dieses regionalen Effekts dar. Er kann in Regressionsmodellen,
insbesondere in Multilevel-Analysen, sowie bei fehlenden sozioökonomischen Individualdaten
eingesetzt werden.