Hintergrund: Die bisherige Forschung über gesundheitliche Ungleichheiten im Erwachsenenalter verweist
auf den großen Stellenwert materieller, psychosozialer und verhaltensbezogener Determinanten
in der Erklärung sozioökonomischer Unterschiede in der Gesundheit. Bislang ist jedoch
noch weitgehend unbekannt, inwieweit diese Forschungsergebnisse auch für jüngere Altersgruppen
gelten. Das Ziel dieses Vortrags ist es, die relative Bedeutung dieser Faktoren nun
erstmals für das Jugendalter herauszustellen. Material und Methodik: Datenbasis ist die deutsche Stichprobe der internationalen „Health Behaviour in School-aged
Children (HBSC)“ Studie aus dem Jahr 2006. Insgesamt wurden 7274 Schülerinnen und
Schüler im Alter von 11–15 Jahren mit einem standardisierten Fragebogen befragt. Um
die relative Bedeutung der einzelnen Erklärungsansätze für sozioökonomische Unterschiede
in der Selbsteinschätzung der Gesundheit abschätzen zu können, wurden aufeinander
aufbauende logistische Regressionsmodelle berechnet. Der sozioökonomische Status wurde
über den familiären Wohlstand (FAS) gemessen. Ergebnisse: Je niedriger das familiäre Wohlstandsniveau, desto schlechter wird die Gesundheit
eingeschätzt. Im Vergleich zu sozial besser gestellten Jugendlichen, haben Jungen
und Mädchen mit einem niedrigem FAS ein 1,7-fach bzw. ein 2,1-fach erhöhtes Risiko
einer schlechteren subjektiven Gesundheit. Die drei Faktorengruppen zeigten in den
getrennt berechneten Modellen jeweils etwa einen gleich hohen Stellenwert von ca.
40% (Ausnahme bei den Jungen: Gesundheitsverhalten). In der gemeinsamen Analyse, unter
Berücksichtigung aller intermediären Variablen, konnten insgesamt 60–80% der gesundheitlichen
Ungleichheiten erklärt werden. Materielle Determinanten nahmen aufgrund ihres direkten
und indirekten Einflusses (über psychosoziale und verhaltensbezogene Faktoren) die
wichtigste Rolle ein. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass die wichtigsten Verursachungsmechanismen gesundheitlicher
Ungleichheiten im Erwachsenenalter auch für das Jugendalter gelten. Strategien zur
Reduzierung gesundheitlicher Disparitäten im Jugendalter sollten ihren Fokus nicht
nur auf das Gesundheitsverhalten legen, sondern verstärkt die materiellen Lebensbedingungen
sowie den psychosozialen Kontext Jugendlicher berücksichtigen.