Einleitung/Hintergrund: Auf Initiative der Politik entsteht mit den so genannten Frühen Hilfen aktuell ein
neues Versorgungsfeld. Es sollen Angebote auf- und ausgebaut werden, die insbesondere
sozial benachteiligte junge Familien darin unterstützen, ihre Aufgaben als Eltern
zu bewältigen. Zugleich werden aber auch Kontrollbesuchen bei Familien und verpflichtenden
Kindervorsorgeuntersuchungen (U's) durch KinderärztInnen eine Schlüsselrolle zugesprochen.
In der Studie geht es um die Sichtweise der NutzerInnen: (1) Wie sehen sozial benachteiligte
Mütter die Vorsorge-U's beim Kinderarzt und (2) Welche Frühen Hilfen würden sie bevorzugen?
Methodik: Im Rahmen von Lehrforschungsprojekten/Projektseminaren an den Hochschulen Magdeburg-Stendal
und Alice-Salomon Berlin wurden benachteiligte Mütter und einige sozial besser gestellte
Mütter mit qualitativen Interviews (n=38) zu ihren Ressourcen, ihren Erfahrungen im
Gesundheitssystem, ihrer Sichtweise der Kindervorsorge-U's sowie zu Frühen Hilfen
befragt. Die Familien wurden nach sozioökonomischem Status sowie dem Family Adversity
Index klassifiziert und die Aussagen der sozial benachteiligten Mütter mit den statushöheren
Müttern kontrastiert. Ergebnisse: Alle statusniedrigen Mütter nehmen an den Kinder-Vorsorge-U's teil und berichten
über einen hohen subjektiven Nutzen der Teilnahme: Sie ermöglicht es ihnen zu fühlen,
dass sie ihrer Mutterrolle gerecht werden. Ein weiterer Grund ist das mangelnde Vertrauen
in die eigene Fähigkeit zu beurteilen, wie sich das Kind entwickelt. Die ärztliche
Autorität versichert, es sei alles in Ordnung. Die besser gestellten Frauen sehen
hingegen in der Medizin primär eine Dienstleistung. Sozial benachteiligte Mütter bevorzugen
Hilfen, bei denen sie keine Einblicke in ihre Privatsphäre gewähren müssen. Dies sind
die medizinischen Hilfen, bei denen der Fokus auf dem Kind, nicht aber der Familie
liegt (wie Kinderarzt, Physiotherapie, Frühförderung usw.). Ganzheitliche, familienbezogene
Hilfen wehren sie entsprechend eher ab (Eltern-Kind-Gruppen, Müttertreffs). Erfahren
sie hingegen soziale Unterstützung (z.B. durch Familienhebammen oder ein gutes soziales
Netz), dann wird die Hemmschwelle zur Nutzung solcher Hilfen gesenkt. Familienhebammen
werden positiv bewertet. Das Jugendamt sehen sie eher als Bedrohung, es sei denn,
sie haben positive Erfahrungen gemacht.