Einleitung/Hintergrund: Inanspruchnahme von Notfallambulanzen und insbesondere deren Angemessenheit ist im
internationalen Kontext intensiv untersucht worden. Für Deutschland liegen nur wenige
Daten vor. Im Rahmen der Studie zur Inanspruchnahme von klinischen Notfallambulanzen
wurde untersucht, ob Unterschiede bei der Angemessenheit der Inanspruchnahme zwischen
dem ehemaligen Ostteil und Westteil der Stadt Berlin festzustellen sind. Darüber hinaus
wurde der Einfluss von Geschlecht und Alter berücksichtigt. Material und Methoden: Die Daten stammen aus einer Querschnittsstudie und wurden zwischen 11/2006 und 3/2007
in internistisch/gynäkologischen Rettungsstellen in drei großen Berliner Innenstadtkliniken
erhoben. Insgesamt liegen 3.591 Daten aus den Rettungsstellenscheinen vor. Zur Messung
der Angemessenheit der Inanspruchnahme wurde ein Index konzipiert, der folgende vier
Kriterien umfasste: Nutzung des Rettungs- und Transportwesens, Durchführung von nur
im Krankenhaus vorgehaltener Diagnostik, Durchführung von nur im Krankenhaus vorgehaltenen
therapeutischen Maßnahmen und stationäre Aufnahme. Ergebnisse: Insgesamt wurden die Kriterien einer angemessenen Inanspruchnahme von 33% der Patienten/innen
erfüllt. Die multivariate Analyse hat ergeben, dass Alter (AOR: 1,049; p-Wert:0,000),
männliches Geschlecht (AOR: 1,521; p-Wert:0,000) sowie ein aktueller Wohnort im ehemaligen
Ostteil der Stadt Berlin (AOR:1,362; p-Wert: 0,001) signifikante Prädiktoren für eine
angemessene Inanspruchnahme von Rettungsstellen sind. Hingegen stellten die Beschwerdedauer
bis zum Aufsuchen der Rettungsstelle, der Zeitpunkt der Inanspruchnahme sowie die
Nähe des Wohnorts der Patienten/innen zur Klinik keine signifikanten Einflussgrößen
dar. Diskussion/Schlussfolgerungen: Steigendes Alter, männliches Geschlecht sowie ein aktueller Wohnort im ehemaligen
Ostteil der Stadt Berlin sind mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einer
angemessenen Inanspruchnahme assoziiert. Jedoch sind zwei Drittel der Inanspruchnahmen
nach unseren Kriterien als nicht angemessen einzustufen: Hier ist sicherlich Aufklärungsbedarf
zu konstatieren. Allerdings besteht weiterer Forschungsbedarf, mit welchem die Motive
der Inanspruchnahme sowie ggf. vorhandene Versorgungslücken identifiziert werden können.