Hintergrund: Ergebnisse der KIGGS-Studie zeigen, dass Migrationshintergrund und ein niedriger
Bildungsstatus Einfluss auf lückenhafte Teilnahme an U-Untersuchungen haben, unvollständige
oder fehlende Impfungen jedoch eher in Familien aus höheren Bildungsschichten auftreten.
Im Vergleich zu diesen präventiven Angeboten oder Früherkennungsuntersuchungen ist
die Versorgung gesundheitlicher Beschwerden oder entwicklungsrelevanter Defizite bislang
weniger untersucht worden. In einer Analyse der Daten aus Schuleingangsuntersuchungen
(SEU) in Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde der Einfluss verschiedener, überwiegend sozialer
Variablen auf das Auftreten neuer, medizinischer oder entwicklungsrelevanter Diagnosen
während der SEU überprüft. Material/Methoden: Als Datenbasis dienten Daten der SEU 2007 in NRW. Es wurden nur Kinder einbezogen,
die während der SEU mindestens eine Diagnose aufgrund verminderter Sehschärfe, eingeschränktem
Hörvermögen, der motorischen Entwicklung oder Visumotorik erhalten hatten. Im Rahmen
dieser Querschnittsstudie wurden Odds Ratios (OR) und 95% Konfidenzintervalle in einer
bivariaten Anlayse und multivariabler, logistischer Regression berechnet. Ergebnisse: Von insgesamt 53.293 Kindern wurde bei 14.066 Kindern mindestens eine Diagnose gestellt.
Bei 7.718 Kindern (54,9%) handelte es sich um mindestens eine neue, bisher unentdeckte
Beschwerde. Neue Diagnosen wurden am häufigsten aufgrund einer verminderten Hörfähigkeit
gestellt (N=2.182, 68,7%), darauf folgen Diagnosen aufgrund gestörter Visumotorik
(N=2124, 53%), verminderter Sehschärfe (N=4001, 48,6%) und motorischer Entwicklung
(N=739, 31,8%). In das logistische Regressionsmodell wurden die Variablen Migrationshintergrund
(Erstsprache in den Familien nicht Deutsch), Bildungsindex der Familie, Teilnahme
an U-Untersuchungen, Kindergartenbesuch und Alleinerziehung einbezogen. Das Auftreten
einer neuen, bisher unbehandelten Diagnose war signifikant mit Migrationshintergrund
(OR=1,68; 95% CI=1,45–1,95) und niedrigem familiären Bildungsindex (OR=1,27; 95% CI=1,10–1,45)
assoziiert. Diskussion: Ähnlich wie bei der Inanspruchnahme der U-Untersuchungen haben Migrationshintergrund
sowie das Aufwachsen in einer bildungsfernen Familie einen Einfluss auf die gesundheitliche
Versorgung der Kinder. Diese Ergebnisse zeigen die Relevanz der SEU um gesundheitliche
oder Entwicklungsdefizite der Kinder vor Schulbeginn zu entdecken.