Aufgrund steigender Kosten bei knappen staatlichen Budgets rückt die Verteilungsgerechtigkeit
im Gesundheitswesen, insbesondere die Erhaltung und Verbesserung von Chancen- und
Ergebnisgleichheit, stärker in den Mittelpunkt. Die Garantie von Chancengleichheit
im Sinne eines gleichen Zugangs und gleicher (Grund-) Versorgung für alle Bürger,
stellt ein zentrales Grundprinzip der solidarisch organisierten Gesundheitssysteme
Europas dar. Die Persistenz und Zunahme sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit
wird darüber hinaus als Mangel an Ergebnisgleichheit wahrgenommen. Obwohl Chancen-
und Ergebnisgleichheit in allen europäischen Gesundheitssystemen wichtige Ziele darstellen,
unterscheidet sich der Grad der Zielerreichung deutlich zwischen den Ländern. Es stellt
sich also die Frage, welche institutionellen Arrangements für diese Unterschiede verantwortlich
sind und ob eine stark ausgeprägte Chancengleichheit notwendigerweise mit einem hohen
Niveau an Ergebnisgleichheit einhergeht? Um diese Fragen zu beantworten, wird eine
vergleichende Institutionenanalyse dreier Gesundheitssysteme (Deutschland, Frankreich,
und England) vorgenommen und durch Ergebnisse aus Umfragedaten ergänzt. Auf Basis
internationaler und nationaler Quellen zur Gesundheitssystementwicklung in diesen
drei Ländern, wird untersucht, wie sich instititutionelle Regeln auf die Chancen-
und Ergebnisgleichheit auswirken und ob stattgefundene Reformen zu einer Stärkung
oder einer Schwächung dieser Prinzipien beigetragen haben. Hierbei wird ein besonderes
Augenmerk auf die Entwicklungen in der evidenzbasierten Medizin, der Integration von
Versorgungsanbietern (u.a. durch Hausarztsysteme) sowie der Veränderung der Leistungskataloge
gelegt. Die Analyse zeigt markante Unterschiede in der Wahl und Umsetzung der Reformstrategien
zwischen den Ländern. In allen Systemen ist eine Stärkung der Chancengleichheit nur
bedingt mit dem Ausmaß an Ergebnisgleichheit verbunden, vor allem wenn die Chancengleichheit
sich nur auf formale Zugangsbarrieren bezieht. Obwohl Ungleichheit in den politischen
Debatten präsent ist, überwiegen in der Gesamtbilanz der Reformen solche, die zu einer
Schwächung der Prinzipien beitragen. Maßnahmen, die eine Annäherung des Gesundheitszustands
unterschiedlicher sozialer Gruppen erreichen könnten, wurden nur selten verbindlich
beschlossen oder unzureichend implementiert.