Hintergrund: Die Selbsteinschätzung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) hat in den
letzten Jahren neben etablierten Beurteilungskriterien wie klinischer Symptomatik
und Lebenserwartung in der Medizin an Bedeutung gewonnen. Sie ist in der Gesundheitsforschung
zu einem wichtigen subjektiven Indikator des Gesundheitszustands von chronisch Kranken
geworden. Zahlreiche Studien zeigen, dass Patienten mit Multipler Sklerose (MS) bereits
im frühen Erkrankungsstadium eine eingeschränkte HRQoL haben. Untersucht wurden Einflüsse
psychosozialer und krankheitsbezogener Aspekte auf die HRQoL, insbesondere die Bedeutung
depressiver, passiv-vermeidender Krankheitsverarbeitungs-Stile. Methoden: 7050 Mitglieder der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen
(DMSG-LV NRW), erhielten einen anonymisierten Fragebogen mit soziodemographischen
und krankheitsbezogenen Aspekten, dem Multiple Sclerosis Quality of Life (MSQoL)-54
Instrument, der Multiple Sclerosis Impact Scale-29 (MSIS-29) und dem Freiburger Fragebogen
zur Krankheitsverarbeitung (FKV). 3157 Personen nahmen an der Befragung teil, die
Rücklaufquote lag bei 44,8%. Ergebnisse: Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer betrug 48,21 Jahre (SD=11,78), 71,7% sind
Frauen. Die MS-Erkrankten zeigen bereits bei kurzer Krankheitsdauer und geringem Behinderungsgrad
Einschränkungen in der HRQoL. Die Patienten nutzen alle beschriebenen Modi der Krankheitsverarbeitung.
Der niedrigste Mittelwert ergibt sich für die Skala „Bagatellisierung/Wunschdenken“
(M=2,12; SD=1,00), der höchste für „Ablenkung/Selbstaufbau“ (M=3,03; SD=0,87). Zwischen
den Summenskalen des MSQoL-54 und der MSIS-29 und den Skalen „depressive Verarbeitung“
sowie „Bagatellisierung/Wunschdenken“ des FKV-LIS ergeben sich signifikante Korrelationen:
ein ausgeprägt depressiver oder bagatellisierender Verarbeitungsmodus geht mit einer
schlechten HRQoL einher. Auffällig ist, dass dieser Zusammenhang nicht nur bei den
psychischen Summenscores (r=.50 bis r=.68), sondern auch bei den physischen Scores
(r=.38 bis r=.49) deutlich wird. Bezogen auf die anderen Modi („Aktives problemorientiertes
Coping“, „Religiosität und Sinnsuche“, „Ablenkung/Selbstaufbau“), finden sich keine
nennenswerten Verbindungen zur Lebensqualität. Diskussion: Auch die physische Lebensqualität wird durch meidende Krankheitsbewältigungsstile
und depressive Symptomatik negativ beeinflusst. Auf Maßnahmen zur Förderung der „Copingskills“
sollte möglichst frühzeitig zurückgegriffen werden, um MS-Kranken unabhängig vom Grad
der körperlichen Einschränkung eine bessere Lebensqualität bieten zu können.