Menschen mit Behinderungen werden im Alltagsbewusstsein sowie in der medizinischen
Versorgung noch immer defizitorientiert wahrgenommen. Der aktuelle Kenntnisstand über
die Situation behinderter Mütter und die Vereinbarkeit von Behinderung/chronischer
Erkrankung und Mutterschaft/Elternschaft ist nach wie vor zu gering. Das gilt auch
für die medizinische Beratung und Versorgung. Die gesetzlichen Grundlagen für Eltern
mit Behinderungen sind gegeben in der UN-Charta 2006, dem BGG und dem SGB lX, die
Umsetzung in die Praxis bleibt problematisch. Dennoch erfüllen sich Menschen mit Behinderungen
und chronischen Erkrankungen zunehmend ihren Kinderwunsch. Besonders Frauen treffen
dabei oft auf verunsicherte Mediziner, bauliche und kommunikative Barrieren in den
medizinischen Einrichtungen und unzureichend abrufbare Unterstützungsangebote. Im
Rahmen einer von der Roland Ernst Stiftung für Gesundheitswesen Sachsen geförderten
Studie wurde auf der Basis einer repräsentativen Stichprobe (10% aller schwerbehinderten
Frauen ab GdB 50 in der Altersgruppe 25–45 Jahre) insgesamt 525 Frauen mittels Screeningbefragung
erfasst. Davon konnten 98 Frauen mit Kindern sowie 45 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch
in vertiefenden Interviews zu ihren Erfahrungen befragt werden. Ergänzt durch eine
Sekundäranalyse der Perinatalstatistik Sachsen, eine retrospektive Analyse von Patientinnenakten
einer geburtshilflichen Klinik sowie Experteninterviews mit Gynäkologen, Pädiatern
und Pränataldiagnostikern konnten wichtige Erkenntnisse zur medizinischen Versorgung
behinderter/chronisch kranker Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung
gesammelt werden. Dabei können mit den vorliegenden Ergebnissen einige Vorurteile
zur Vereinbarkeit von Behinderung und Mutterschaft abgebaut und Empfehlungen abgeleitet
werden für die Verbesserung der geburtshilflichen und sozialen Betreuung dieser Frauen
und ihrer Kinder. Vorliegende Ergebnisse zeigen, dass Ärzte behinderte/chronisch kranke
Schwangere mit größerer medizinischer Vorsicht behandeln. Andererseits berichten Frauen
über Verunsicherungen seitens der betreuenden Gynäkologen, Fach- und Hausärzte. Diese
Aussagen werden von den Ärzten zum Teil bestätigt. Frauen mit Behinderungen erleben
durch Barrieren in medizinischen Einrichtungen und Beratungsstellen Einschränkungen
der selbstbestimmten Inanspruchnahme von Beratungs- und Betreuungsangeboten, zeigen
dennoch eine hohe Zufriedenheit mit der Betreuung, insbesondere durch die Hebammen