Hintergrund: Seit der Implementierung des qualitätsgesicherten Koloskopie-Screenings im Jahr 2002
haben krankenversicherte Personen in Deutschland ab dem Alter von 55 Jahren einen
Anspruch auf Screening-Koloskopien. Die frühzeitige Diagnose von Darmkrebs und die
damit verbundene Chance auf eine Erhöhung der Heilungschancen ist ein primäres Ziel
der Früherkennungskoloskopie. Zusätzlich wird eine Inzidenzsenkung der Darmkrebsfälle
durch die systematische Adenomektomie erwartet. Bislang wurde weder ein systematisches
Monitoring der epidemiologischen Daten (Inzidenz, Stadien, etc.) noch eine Mortalitätsevaluation
gesetzlich festgeschrieben. In unserer Analyse wird die stadienspezifische Inzidenz
für Darmkrebs betrachtet und im Kontext des Darmkrebs-Screenings diskutiert. Methoden: Die epidemiologischen Krebsregister der Länder Bremen, Hamburg, Saarland und Schleswig-Holstein
haben Inzidenzdaten kolorektaler Karzinome (Zeitraum 2000–2006) bereitgestellt (Stand
der Datenbanken August 2009; ICD-10 C18–21, D01.0–4; Ausschluss von DCO-Fällen). Altersstandardisierte
sowie tumorstadienspezifische Inzidenzraten (trunkierter Weltstandard (ASR Welt))
wurden berechnet. Zeitliche Trends wurden über Joinpoint-Analysen und die APC-Methode
ermittelt (Joinpoint Regression Program; National Cancer Institute, Statistical Research
and Applications Branch; Version 3.3.2, Oktober 2009). Ergebnisse: Insgesamt wurden rund 35.000 kolorektale Tumore in den vier Bundesländern registriert,
31.900 entfielen auf die screening-relevante Altersgruppe (55+). Die stadienspezifischen
Inzidenzraten von Tumoren mit Lokalisation in Kolon oder Rektum und Anus zeigen ein
signifikantes Ansteigen der Inzidenz von in situ- und T1-Tumoren. Die Inzidenz der
prognostisch ungünstigeren Tumorstadien T3 (Kolon: leichte Zunahme; Rektum und Anus:
leichte Abnahme) und T4 (Kolon, Rektum und Anus: leichte Zunahme) zeigte im betrachteten
Zeitraum keine signifikante Veränderung. Diskussion: Mit Beginn der Einführung des qualitätsgesicherten Koloskopie-Screenings haben sich
Darmkrebsinzidenz und -Mortalität in Deutschland verändert. Die beobachteten Veränderungen
können derzeit aber nicht eindeutig mit der Implementierung in Verbindung gebracht
werden, da entsprechende Teilnahmeraten und Meldungen aus dem Koloskopie-Screening
nicht zur Verfügung stehen. Notwendig wäre ein Abgleich der Daten aus dem Screening
mit den Datenbeständen der epidemiologischen Krebsregister, um ein Follow-up der Screeningteilnehmer
und eine Mortalitätsevaluation zu ermöglichen.