Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(47): 2340
DOI: 10.1055/s-0030-1267519
Editorial
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurologische Intensivmedizin: Fortschritte und Probleme

Neurological intensive care: Progress and problemsW. Hacke1
  • 1Neurologische Klinik der Universität Heidelberg
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Publication Date:
16 November 2010 (online)

In zeitlicher Nähe zum diesjährigen DIVI 2010 Kongress in Hamburg erscheint dieses Heft mit einer Vielzahl von Themen, die sich auch beim DIVI-Kongress wiederfinden werden. Da der Kongresspräsident neurologischer Intensivmediziner ist, lag es nahe, dass einige Themen aus der neurologischen/neurochirurgischen Intensivmedizin stammen. Wir haben drei Themenbereiche ausgewählt, an denen sich gut ablesen lässt, welche Ansätze, Fortschritte und neue Probleme in der neurologischen Intensivmedizin aktuell sind.

Zwei Beiträge beschäftigen sich mit dem Thema Hypothermie. Die Kollegen Kollmar und Schwab aus der Neurologischen Universitätsklinik in Erlangen/Nürnberg präsentieren einen Überblick über die therapeutische Hypothermie in der neurologischen Intensivmedizin und diskutieren kritisch die zur Verfügung stehenden Daten zur Hypothermie bei Schädelhirntrauma, beim ischämischen Schlaganfall, bei der intrazerebralen Blutung und der Subarachnoidalblutung. Kritisch wird darauf hingewiesen, dass es viele offene Fragen bei der Hypothermie gibt, und dass große klinische Studien notwendig sind, die aber leider im Augenblick nicht gefördert werden, einerseits weil die Industrie aufgrund der sehr überschaubaren Zulassungsbedingungen keine Notwendigkeit zur Durchführung von Outcome-Studien sieht, zum anderen weil öffentliche Förderung für dieses Thema leider nicht erreicht wurde.

Die therapeutische Hypothermie nach Reanimation ist etabliert. Dies berichten die Kollegen Reith und Marx aus der Medizinischen Klinik in Aachen. Sie diskutieren die molekularen Mechanismen der Neuroprotektion und geben einen Überblick über die klinischen Daten, die zur aktuellen Evidenzlage dieses Therapieansatzes geführt haben. Sie stellen auch die verschiedenen Kühlungsmethoden und die Komplikationen der milden Hypothermie vor. Die milde therapeutische Hypothermie beim Herz-Kreislauf-Stillstand ist eine durch randomisierte Studien belegte und auf Leitlinienebene etablierte Therapie.

Der Beitrag von Jahn und Dichgans aus der Neurologischen Klinik und dem Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung der Universität München, Campus Großhadern zum Thema Herz-Hirn-Interaktion in der Intensivmedizin greift ein nicht so sehr bekanntes, aber in der Praxis außerordentlich wichtiges Thema auf, nämlich die wechselseitige Beeinflussung zwischen Herz und Hirn. Kardiale Erkrankungen sind häufige Ursachen neurologischer Notfälle, man denke an den kardioembolischen ischämischen Infarkt, die zerebrale Hypoxie und die Synkopen, andererseits können aber akute Hirnkrankheiten und auch psychische Stressreaktionen zu kardialen und kardiopulmonalen Komplikationen führen, die von Herzrhythmusstörungen, EKG und Laborveränderungen bis zu neurogeninduzierten Kardiomyopathien und zu plötzlichem Herztod führen können. Das Spektrum dieser Interaktionen wird in dem sehr lesenswerten Übersichtsartikel dargestellt und auch die anatomischen und pathophysiologischen Grundlagen im Detail diagnostiziert. Einen besonderen Schwerpunkt nehmen die stressinduzierte Kardiomyopathie sowie das neurogene Lungenödem in Anspruch.

Der Beitrag von Bösel und Steiner aus der Neurologischen Klinik in Heidelberg beschäftigt sich mit der praktisch so wichtigen Frage der Antagonisierung von intrakraniellen Blutungen unter oraler Antikoagulation und nimmt auch Stellung zu der Frage, wie, wann und womit nach einer stattgehabter Blutung bei notwendiger Antikoagulation die Antagonisierung beginnen kann. Auch das Thema der Blutungsausweitung in den ersten Stunden nach einer intrakranialen Blutung wird in diesem Beitrag diskutiert.

Alles in allem glauben wir, in diesem Heft ein interessantes Spektrum von aktuellen neurologisch-intensivmedizinischen und interdisziplinär-intensivmedizinischen Problemen adressiert zu haben.

Ihr

Prof. Dr. Dr. h. c. Werner Hacke

Prof. Dr. Dr. h. c. Werner Hacke

Neurologische Klinik
Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 400

69120 Heidelberg

Email: Werner.Hacke@med.uni-heidelberg.de

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