Dialyse aktuell 2011; 15(2): 77
DOI: 10.1055/s-0031-1275587
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Notfälle in der Nephrologie

Gerhard Anton Müller
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Publication Date:
14 March 2011 (online)

Notfälle in der Nierenheilkunde betreffen meist nicht nur die Nieren selbst, sondern häufig auch andere Organsysteme. Vielfach werden sie erst verzögert erkannt, obwohl sie häufig lebensbedrohlich sind. Die rasche Diagnostik ist sicher möglich und meist nicht kostenintensiv. Bei der schnellen Einleitung der heutigen therapeutischen Möglichkeiten sind nephrologische Notfälle erfolgreich zu behandeln. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben der beiden Nieren wird schnell klar, welche Auswirkungen Notfälle, die primär die Nieren betreffen, auf den ganzen Körper haben können. In diesem Heft zeigen wir an repräsentativen Beispielen aus Klinik und Praxis, wie eng Nephrologie und Intensivmedizin miteinander verknüpft sind.

Das Auftreten eines akuten Nierenversagens (ANV) in der Klinik ist häufiger als das Vorkommen außerhalb des Krankenhauses. Grob werden ein prä-, intra- und postrenales Nierenversagen voneinander unterschieden. Beim älteren Menschen kann etwa die Einnahme „nicht steroidaler Antirheumatika“ (insbesondere jene, die die renale Prostaglandinsynthese beeinflussen) bei einer reduzierten Zahl funktionstüchtiger Nephrone zum Auftreten eines ANVs führen. Begünstigt wird dies durch ein vermindertes Durstgefühl des älteren Menschen. In der Klinik imponieren vor allem Nierenversagen, die zum Beispiel durch Röntgenkontrastmittel und verschiedene Medikamente verursacht sind, insbesondere im Rahmen septischer Krankheitsbilder. Die Schwere des ANVs beeinflusst sehr wesentlich das Mortalitätsrisiko von Patienten mit einer Sepsis. Mithilfe der sogenannten RIFLE[1]-Kriterien kann man die Schweregrade des Nierenversagens festlegen. In der Klinik steht uns heute eine Reihe therapeutischer Möglichkeiten zur Verfügung. Dr. Carsten Bramlage, Göttingen, et al. berichten in diesem Heft über den Einsatz und die Relevanz verschiedener extrakorporaler Blutreinigungsverfahren.

Beim hypertensiven Notfall handelt es sich um einen krisenhaften Anstieg des arteriellen Blutdrucks, der unbehandelt lebensbedrohlich sein und rasch zum Tode führen kann. Etwa 1 % aller Hypertoniker erleiden im Laufe ihres Lebens einen hypertensiven Notfall. Klassischerweise steigt der systolische Blutdruck dabei auf Werte von über 180 mmHg und der diastolische auf Werte um 120 mmHg und höher an. Es drohen rasch dramatische Endorganschäden, vor allem an Gehirn, Herz und Nieren. Die Behandlung muss bereits außerhalb der Klinik erfolgen. Zum Einsatz kommen Medikamente wie Nitroglyzerin, Nitrendipin, Clonidin und Urapidil. Der krisenhafte Blutdruck sollte ad hoc nicht auf Normalwerte gesenkt werden, da sonst zerebrale Komplikationen zu befürchten sind. In der Publikation von PD Dr. Clemens Grupp, Bamberg, et al. finden sich Hinweise zur Epidemiologie, Pathogenese, zu klinischen Symptomen sowie zur Diagnostik und Therapie der hypertensiven Notfälle.

Störungen des Säure-Basen-Haushaltes werden im Alltag häufig übersehen. Sowohl respiratorische als auch metabolische Azidosen und Alkalosen können zu schweren, lebensbedrohlichen Zuständen führen. Gefürchtet sind neben Störungen der Blutdruckregulation vor allem auch Veränderungen der myokardialen Kontraktilität und Herz-Rhythmus-Störungen. PD Dr. Daniel Patschan, Göttingen, et al. beschreiben in ihrem Beitrag die diagnostischen Befunde und klinischen „Pathways“, mit deren Hilfe eine schnelle und sichere Diagnose der jeweiligen Störung möglich ist. Ferner werden Empfehlungen zum therapeutischen Vorgehen in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Erkrankung gegeben.

Die erfolgreiche Nierentransplantation ist, wenn immer möglich, die beste Therapie für den terminal niereninsuffizienten Patienten. Trotz der sorgfältigen Überwachung transplantierter Patienten und neuester Immunsuppressiva führen chronische Abstoßungsreaktionen oft zum Verlust der Transplantate. Dr. Peter Weithofer, Hann. Münden, et al. beschreiben in ihrer Arbeit Ursachen und diagnostische Möglichkeiten, um akute Abstoßungsreaktionen zu erkennen. Neben einem Rückgang der Harnausscheidung können auch bereits leichte Anstiege des Blutdrucks ein Hinweis auf ein Nierentransplantatversagen sein. Die alleinige Bestimmung des Serumkreatininwertes reicht aufgrund des sogenannten „kreatininblinden Bereiches“ zur Früherkennung nicht aus. Aussagekräftiger sind Bestimmungen von Cystatin C oder NGAL („neutrophil gelatinase-associated lipocalin“). In Zukunft wird der Nachweis von Biomarkern in Blut und Urin zur Risikostratifizierung und Früherkennung von Abstoßungsreaktionen hilfreich sein.

1 Risk Injury Failure Loss End Stage Renal Disease

Prof. Dr. Gerhard Anton Müller

Göttingen

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